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44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

Titel: 44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Hoffnungen, und ich habe noch nie einen so gewissenhaften, aber auch wahrheitsliebenden Arzt gekannt, wie er ist. Er ist einer der ersten Operateure der Gegenwart, und das Glück begleitet ihn treu in seiner Tätigkeit. Er sprach zu mir von einigen Empfehlungsschreiben, die er Ihnen zustellen wollte.“
    „Ich habe sie erhalten. Wissen Sie, an wen sie gerichtet sind?“
    „Ja; er hat es mir natürlich mitgeteilt. Der eine Brief lautet an seine Mutter und der andere an meinen Vater –“
    „Von dem Sie getrennt leben, wie ich gehört habe“, fiel der Herzog ein.
    „Allerdings“, antwortete Otto, indem sich sein Blick verschleierte. „Ich kann nicht sagen, daß ich falsch gehandelt habe; ich bin einem inneren Drang gefolgt, dem ich nicht widerstehen konnte, ich glaube, daß mein Vater mir unrecht tut, aber ich wäre zum größten Opfer bereit, wenn er sich versöhnen lassen wollte. Das Herz des Menschen ist mit unzerreißbaren Banden mit dem Erzeuger seines Daseins vereint; ich habe ihn lieb von ganzer Seele. Die Kunst hat mir eine sorgenfreie Existenz verschafft, aber jetzt wäre ich stark genug, ihr zu entsagen, nur um sagen zu können, daß ich einen Vater habe, dessen Liebe ich mir zwar einst verscherzt, nun aber wieder errungen habe.“
    Sein Auge schimmerte feucht, und seine Lippen bebten vor innerer Erregung. Die Kunst hatte ihm alles gebracht, was ein begabter Jünger nur von ihr erwarten kann, und dennoch war er bereit, sie zu verleugnen. Wie schwer ist ein solcher, tief in das innere und äußere Leben eingreifender Schritt zu tun! Wie lieb mußte er seinen Vater haben! Sein Gemüt war rein und tief. Das Zerwürfnis zwischen ihm und dem alten Hauptmann mußte ihn fürchterlich ergriffen und um den ganzen Frieden seiner Seele gebracht haben. Als er so dasaß, das Bild eines von Gott begnadeten Künstlers und doch auch eines von einem tiefen Schmerz gequälten und gefolterten Mannes, da tropfte von der Wimper Floras ein großer, heller Tropfen. Auch der Herzog fühlte sich ergriffen und zu dem Mann hingezogen, der trotz seiner unverschuldeten Leiden dem Urheber derselben nicht zürnte, sondern ihm seine Liebe treu bewahrt hatte. Er streckte Otto unwillkürlich die Hand entgegen, um ihm die seinige zu drücken, und sagte:
    „Verzagen Sie nicht, Herr von Rodenstein. Es ahnt mir, daß Sie noch glücklich werden, und wenn ich nicht sterbe, so ist es mir vielleicht gegönnt, Ihren Vater zu versöhnen. Er ist vielleicht hart, aber ich hoffe, nicht grausam!“
    Otto erzählte nun ausführlich, wie es gekommen war, daß man ihm das Vaterhaus verboten hatte. Er klagte den Vater nicht an, er entschuldigte auch sich nicht; er sprach so wahr, so mild, daß der Herzog sich gar nicht wunderte, wenn dieser Mann das Herz seiner Tochter gewonnen hatte.
    „Und werden Sie die Empfehlungsbriefe Sternaus benutzen?“ fragte Otto schließlich.
    „Ja, ich werde nach Rheinswalden reisen, nicht nur meiner Gesundheit wegen, sondern auch um Ihretwillen“, antwortete der Kranke. „Fast möchte ich mich vor Ihrem Vater fürchten, doch werde ich mir Mut einreden, und ich hoffe, daß auch Flora sich Mühe gibt, den alten Herrn milder zu stimmen.“
    Diese letzten Worte erfüllten Otto mit unendlichem Glück. Daß der Vater seiner Tochter eine solche Aufgabe zuerteilte, war ein fast vollgültiger Beweis, daß ihm ihre Liebe nicht mißfiel. Und so saßen sie noch längere Zeit beisammen, bis man die alte Zigeunerin vom Leuchtturm her, in dem sie gewesen war, des Weges kommen sah. Der Herzog wollte sich durch den Anblick des alten Weibes nicht um seine jetzige gute Stimmung bringen lassen und bat Flora, ihn in das Haus zu führen, was für Otto das Zeichen war, sich zu verabschieden. Er empfahl sich und erhielt die freundliche Aufforderung, recht bald wiederzukommen.
    Er fühlte sich innerlich so selig, so glücklich, daß er es vermeiden wollte, sich durch den Anblick kalter, ernster Menschen stören zu lassen. Er suchte daher die Einsamkeit und fand sie am Ufer des Meeres, wo die weichen, flüsternden Wogen die Spitzen seines Fußes spielend benetzten.
    Er befand sich unweit des Leuchtturmes. Am Fuß desselben gab es ein moosbedecktes Felsenstück, das zum Sitzen einlud. Otto trat näher und ließ sich darauf nieder. Er verfiel in die Krankheit aller Verliebten, er träumte still vor sich hin und malte sich das Glück aus, das er an dem Herzen und in den Armen Floras finden werde. Er dachte gar nicht daran, daß der Vater der

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