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44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

Titel: 44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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was unumgänglich notwendig war, und verließ dann heimlich das Haus. Auch er verschwand ebenso im Dunkel der Nacht, wie vorhin der Garotteur. Rosa Sternau war einer großen Gefahr entgangen.
    Nur zwei Stunden später erschien der Mainzer Staatsanwalt in Begleitung mehrerer Gendarmen im Schulhaus, wo sich alles bereits zur Ruhe gelegt hatte. Die Familie des Lehrers wurde geweckt, aber als man die Stube des Marchese untersuchte, fand man die überzeugendsten Beweise, daß beide, er und sein Diener, die Flucht ergriffen hatten. Es wurden sofort alle Maßregeln getroffen, ihrer habhaft zu werden, aber vergebens; sie waren glücklich entkommen. –
    Einige Tage später brachte der Rheindampfer, der in Mainz anlegte, einige fremde Passagiere, die sich nach dem vornehmsten Hotel der Stadt begaben. Es waren ein älterer und ein junger Herr, eine Dame von großer Schönheit, und dann noch ein männlicher und ein weiblicher Domestike.
    Der alte Herr schien schwer krank gewesen zu sein, ging aber jetzt aufrecht und hatte ein höchst distinguiertes, gebieterisches Aussehen. Den jüngeren Herrn konnte man für einen Künstler halten, und der Dame sah man es an, daß sie es gewöhnt sei, sich in den exklusiveren Kreisen zu bewegen.
    Es waren der Herzog von Olsunna, Flora, seine Tochter, und Otto von Rodenstein, deren Verlobter. Sie erkannten, daß ihre Ankunft hier den Beginn großer, entscheidender Ereignisse bilden werde. Besonders bewegt war der Maler, dessen kindliche Liebe beim Anblick der heimatlichen Gegend doppelt stark entflammt war. Da der Herzog baldigste Gewißheit haben wollte, diktierte er seiner Tochter, nachdem sie es sich in der Hotelwohnung bequem gemacht hatten, folgendes Billet in die Feder:
    „An Frau Rosa Sternau in Rheinswalden.
    Wir melden Ihnen, gnädige Frau, hiermit unsere Ankunft. Da wir noch nicht wissen, ob unser Besuch dem Herrn Hauptmann von Rodenstein genehm ist, so ersuchen wir Sie um eine gütige, kurze Benachrichtigung. Gründe, die wir brieflich nicht andeuten können, lassen uns jedoch wünschen, Sie möchten persönlich kommen, damit wir uns vor unserem Aufbruch vorstellen können.
    Mit der ergebensten Hochachtung
    Franz, Baron von Haldenberg.“
    Mit diesem Billet wurde ein Diener des Hotels nach Rheinswalden gesandt. Er traf die Bewohner des Schlosses beim Oberförster versammelt. Rosa konnte, als sie die Zeilen gelesen hatte, den Inhalt derselben nicht verschweigen. Sie teilte ihn den übrigen mit und verursachte damit große Freude, da man sich auf den bereits von Frankreich aus angesagten Besuch vorbereitet hatte.
    „Gott sei Dank, daß dieser Baron Haldenberg endlich anmarschiert kommt!“ meinte der Hauptmann in seiner derben Weise. „Nun werden wir ja auch ausführlich erfahren, in welcher Weise er unseren guten Sternau kennen gelernt hat.“
    „Und ob er die Spur meines armen, verschwundenen Vaters verfolgt hat“, fügte Rosa hinzu. „Was mich aber wundert, ist, daß der Herr Baron eine Frauenhand schreibt. Mir fiel dies bereits an dem ersten Brief auf, und es ist mir ganz so, als ob ich diese Schriftzüge schon einmal gesehen hätte.“
    „Ja, es gibt Männer, die so zierlich schreiben wie die Frauen“, sagte der Hauptmann, und lachend fügte er hinzu: „Meinem Duktus merkt man es sogleich an, welcher Bär ihn geschrieben hat. Aber, meine liebe Frau Sternau, spannen Sie uns nicht so lange auf die Folter, sondern fahren Sie sogleich mit dem Boten nach Mainz, um diesen Baron schleunigst herbeizuholen!“
    Diesem Wunsch wurde Genüge getan. Der Wagen rollte bereits nach kurzer Zeit zum Tor hinaus, seinem Ziel entgegen. Als der Herzog die Ankommende aussteigen sah, führte er den Grafen Emanuel in ein Nebenzimmer, um ihn bis zur geeigneten Zeit daselbst zu verbergen.
    Rosa ließ sich durch den Diener anmelden und wurde sofort vorgelassen. Als sie beim Eintritt die Anwesenden erblickte, zauderte ihr Fuß vor Überraschung.
    „Mein Gott, ist es möglich!“ rief sie erstaunt. „Durchlaucht von Olsunna! Sie hier! Und auch Durchlaucht Flora?“
    Flora eilte ihr entgegen, um sie zu umarmen.
    „Ja, wir sind es, meine Liebe“, sagte sie. „Sie konnten uns in Deutschland allerdings nicht erwarten, ebenso wenig wie wir Sie. Desto größer aber ist meine Freude, Sie zu sehen.“
    „Oh, auch ich bin ganz glücklich“, meinte Rosa. „Meine Freude ist größer als meine Überraschung. Ich suchte einen Baron von Haldenberg und bin wohl in ein falsches Zimmer gewiesen worden.

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