44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
Dennoch aber will ich –“
„Nein“, unterbrach sie der Herzog, „man hat Sie nicht in ein falsches Zimmer gewiesen, sondern wir sind es, die Sie erwarten.“
„Sie selbst?“ fragte Rosa befremdet. „Wie ist das möglich?“
„Wir hatten Gründe, unseren Namen einstweilen zu verschweigen, und so nannte ich mich Baron von Haldenberg.“
„Ah, und Durchlaucht Flora hat den Brief und auch das heutige Billet geschrieben?“
„Allerdings.“
„So ist es mir klar, warum diese Damenhand mir so bekannt erschien.“
„Ja, ich habe Ihnen einst einige Zeilen geschrieben, wie ich mich erinnere“, bestätigte Flora. „Lassen Sie sich nieder, liebe Gräfin! Wir haben einiges zu besprechen, was Ihnen Freude machen wird.“
„Sie meinen von meinem Mann?“
„Ja. Wir haben mit Herrn Doktor Sternau gesprochen. Wir teilten Ihnen dies bereits in dem Brief mit, den ich Ihnen schrieb.“
Flora erzählte von der Krankheit ihres Vaters, von der Hoffnungslosigkeit, in der sie geschwebt hatten, und von der unerwarteten Hilfe, die Sternau gebracht hatte. Rosa lauschte ihren Worten; es war ihren Mienen, ihren strahlenden Augen und ihren hochgeröteten Wangen anzumerken, wie sehr sie ihren Gemahl liebte und wie glücklich sie sich fühlte, ihn von diesen hochstehenden Leuten so geachtet zu sehen. Der Herzog verhielt sich schweigsam; er beobachtete die junge Frau und sagte sich im stillen, daß es auf Erden kein schöneres und lieblicheres Wesen geben könne, als sie.
Otto von Rodenstein saß ebenso still dabei. Er war Rosa mit Absicht nicht vorgestellt worden und hielt sich und seinen Freund Sternau für die beiden glücklichsten Menschen unter der Sonne, von zwei solchen Frauen geliebt zu sein.
Als Flora geendet hatte, fragte Rosa:
„Sie schreiben mir von einer Spur meines Vaters, die Sie erst nach der Abreise meines Mannes entdeckt haben?“
„Ja“, antwortete Flora. „Es hat uns ernstlich leid getan, daß der Herr Doktor Sternau nicht mehr zugegen war.“
„O bitte, erzählen Sie, erzählen Sie! Haben Sie die Spur verfolgt?“
„Wir haben sie verfolgt“, antwortete der Herzog, der sich jetzt des Gespräches bemächtigte, um zu verhindern, daß die Aufregung der jungen Frau eine zu große werde.
„Haben Sie Glück dabei gehabt? O bitte, sagen Sie es schnell!“ bat diese.
„Vielleicht“, antwortete Olsunna reserviert.
„Vielleicht! Was soll dies heißen, Durchlaucht?“
„Es befand sich ein Wahnsinniger in unserer Nähe. Er wurde versteckt gehalten, und wir erfuhren, daß er immer die Worte ausspreche: ‚Ich bin der gute, treue Alimpo.‘ Wir forschten nun weiter und fanden, daß eine alte Zigeunerin bei dieser Angelegenheit die Hand im Spiel habe.“
„Eine alte Zigeunerin? Wie hieß sie?“ fragte Rosa schnell.
„Zarba.“
„Zarba, ah, wenn sie es ist, so ist's der Vater sicherlich gewesen. Gott, ach Gott, Sie haben die Spur doch sicher nicht aus den Augen verloren?“
„Nein, Gräfin. Ich hoffe, daß wir zum Ziel gelangen werden.“
„Wann? Doch bald, ja, recht bald!“
„Vielleicht. Es ist möglich, daß wir den Aufenthalt Ihres Vaters baldigst kennen lernen.“
„Ich denke, Sie wissen ihn bereits?“
„Er befand sich auf einem Leuchtturm in halber Gefangenschaft. Er sollte, wie es scheint, heimlich wieder von da entfernt werden. Jetzt befindet er sich –“
„Wo, wo –?“
„Bitte, meine liebe Gräfin, beherrschen Sie sich! Eine übermäßige Freude ist ebenso gefährlich, wie ein großer Schreck.“
„Eine Freude! Sie sprechen von einer Freude! O, Sie haben eine gute, eine glückliche Nachricht für mich!“
„Ich will das nicht ableugnen. Versprechen Sie mir, sich zu fassen, falls wir Ihnen diese Nachricht mitteilen?“
Rosa blickte ihm forschend in das Gesicht, erhob sich von dem Sessel, auf dem sie Platz genommen hatte, und antwortete ernst:
„Durchlaucht, ich habe so viel Schweres und Trauriges erlebt, daß mein Herz fest geworden ist. Ich könnte beides, das Schrecklichste und das Seligste erleben, ohne so schwach zu sein, in eine Ohnmacht zu fallen. Antworten Sie! Lebt mein Vater noch?“
„Ja.“
„Im Wahnsinn?“
„Ja, leider.“
„Sie wissen, wo er sich befindet?“
„Ja.“
„Weit von hier?“
„Nein.“
Da zuckte trotz ihrer vorigen Versicherung eine tiefe Erregung über Rosas schönes Angesicht, aber sie beherrschte sich doch und sagte:
„Ah, ich danke Ihnen! Nun weiß ich, warum Sie sich so sehr befleißigen, in Ihren Antworten
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