45 - Die Banditen von Antares
trafen uns.
In den Stein waren Stufen geschlagen worden. Wir schritten gemeinsam in die Höhe. Viele Hände entfernten mein Gewand, dann fesselte man uns mit Blumengirlanden aneinander. Tiri sah mich nicht an. Wir blieben eng aneinandergepreßt dort stehen, während man noch mehr duftende Blumen um uns wand.
Die Musik spielte weiter, und zwar mit einer langsamen, trägen Melodie. Die Priester sangen im klangvollen Chor, und die Priesterinnen stimmten ein, und ihre hellen Stimmen übertönten die Melodie wie Lerchen, die in den blauen Himmel aufstiegen.
Die Umgebung verschwamm vor meinen Augen. Ich wußte, daß ich Tiri im Arm hielt, so wie sie mich umarmte. Ich hörte die tiefen Stimmen der Priester und fühlte mehr, als ich es sah, daß San Paynor und eine hübsche Frau Tiri die Hände auflegten. Die Flamme wand sich lautlos. Ich fühlte Hitze, Kälte, Trockenheit, Feuchtigkeit. Tiri stöhnte. Ein rotglühendes Schwert schien sich durch meinen Leib zu bohren.
Die Welt vor meinen Augen wurde leichenblaß.
Ich stand auf dem Quarterdeck eines kleinen Schiffes, das nur über sechzig Kanonen verfügte und deshalb nicht geeignet war, in der Linie zu segeln. Ein monströser Vierdecker mit hundertzwanzig Kanonen an Bord kreuzte mühelos unser Heck. Er beharkte uns mit einer Kugel nach der anderen. Die zerstörerische Breitseite pulverisierte das Schiff, überzog es mit einem Vorhang aus Eisen, Rauch und Feuer.
Das unter mir befindliche Deck verwandelte sich in einen kleinen Swifter, der das Binnenmeer von Turismond befuhr. Gischtsprühend bohrte sich der bronzebeschlagene Rammsporn eines mächtigen Swifters in unsere Decksbalken, wirbelte die zerbrochenen Körper der Ruderer durch die Luft und versenkte uns mit Blut und Schrecken.
Der Hintergrund wankte, und ich erblickte Seg Segutorio, der seinen großen lohischen Langbogen fallen ließ und vergeblich nach dem schwarzbefiederten langen Pfeil griff, der in seiner Kehle steckte. Ich sah, wie Inchs Kopf durch den tödlichen Schlag einer sächsischen Breitaxt von den Schultern getrennt wurde. Ich wurde Zeuge, wie Turko von einem mit schwarzem Fell bewachsenen, mehrarmigen Ungeheuer in Stücke gerissen wurde. Ich sah, wie Mevancy die Depots in ihren Unterarmen leerschoß und ihre Pfeile, ohne Schaden anzurichten, von einem feindlichen Brustharnisch abprallten, während ein Schwarm Wurfpfeile ihren Körper zerfetzten. Ich sah Hap Loder, der von den Hufen einer in Stampede geratenen Herde Voves niedergetrampelt wurde. Das alles und noch viel mehr mußte ich mir ansehen ...
Ich begegnete meinen Freunden und meiner Familie, und sie alle starben auf vielerlei schreckliche Arten. Ich spürte den Schmerz, es war, als würde ich von tausend rotglühenden Lanzen durchbohrt, als würde man mir das Fleisch mit tausend rotglühenden Zangen von den Knochen schälen. Ich zitterte unkontrolliert.
Doch der körperliche Schmerz war unbedeutend im Vergleich mit der geistigen Qual. Meine Kinder wurden vor meinen Augen aufgeschlitzt. Mein Bewußtsein wand sich und zuckte, und ich war nahe dran, für immer den Verstand zu verlieren.
Delia erschien. Ich sah, wie man sie ...
»Nein!« brüllte ich wie von Sinnen. »Nein!«
Eine geisterhafte Finsternis senkte sich auf mich herab, eine Schwärze, die von scharlachroten Blitzen durchzuckt wurde, von denen mich jeder erneut durchschüttelte und mich näher an den Rand der Verzweiflung brachte. Ein kleiner Teil meines Bewußtseins sagte mir, daß ich dieses Entsetzen nicht länger ertragen konnte, daß ich mich nicht länger wehren konnte und mich der absoluten Finsternis ergeben mußte.
In dem wirbelnden Mahlstrom prallte etwas gegen mich. Ich sah nach unten, benommen und nicht begreifend. Etwas preßte sich gegen meine nackte Brust. Verschwommen erkannte ich Tiris weißen Körper, der sich an mich drückte. Ihre Arme klammerten sich mit aller Kraft um meinen Hals, ihre Fingernägel gruben sich in meine Haut. Ich spürte ihren weichen, nackten Rücken unter den Händen.
Selbst da begriff ich noch immer nicht. Der Schmerz hörte nicht auf. Delia. Meine Delia war ... Dieser zarte, straffe Körper, den ich in den Armen hielt, gehörte nicht Delia. Er schmiegte sich nicht richtig an mich, paßte nicht zu mir, fühlte sich anders an. Nein, natürlich nicht! Das hier war Tiri. Das war gar nicht Delia, Delia von Delphond, Delia von den Blauen Bergen. Nein. Dieses zitternde Bündel war Tiri, und sie schluchzte und bebte, und die Blumen hüllten uns
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