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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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belastet, in das Innere des Landes nach Dollo folgen mußte. Dort verkaufte er mich wieder. Mein neuer Herr war ein grausamer Negerfürst. Was ich bei ihm ausgestanden habe, zu erzählen, dazu reicht die menschliche Sprache nicht aus; es ist so furchtbar, daß ich mich noch in meiner Todesstunde darüber entsetzen werde. Ich mußte arbeiten für zehn Mann, und die niedersten, oft die scheußlichsten Dienste verrichten; ich wurde mißhandelt wie ein Vieh, und erhielt nicht halb satt zu essen, aber trotz alledem und trotz der mörderischen Gegend, in welcher ich mich befand, hielt ich das alles aus, ja, ich wurde kräftiger und stärker, als ich je vorher gewesen war. Da starb mein Herr. Sein Erbe wollte mich nicht behalten und verkaufte mich an einen Mann aus Härrär, welcher mich mitschleppte und seinem Sultan zum Geschenk machte. So kam ich hierher.“
    „Wie lange ist dies her?“
    „Es sind erst vierzehn Tage.“
    „Ah, darum habe ich dich nicht gesehen. Ich habe drei Wochen lang entfernt von hier in einer Kaffeepflanzung des Sultans arbeiten müssen. Aber was hast du getan, daß du in das Gefängnis gesteckt worden bist?“
    „Ich erhielt gleich bei meiner Ankunft hier den Befehl, Mohammedaner zu werden.“
    „Gerade wie ich, aber ich habe stets widerstanden.“
    „Auch ich wiederstrebte. Man marterte mich, und als ich mich trotzdem weigerte, den falschen Propheten Mohammed anzurufen, wurde ich in das Loch geworfen, um von den Ratten gefressen zu werden. Ich fand zum Glück das erwähnte Messer, mit welchem es mir gelang, das Ungeziefer zu töten. Heute hörte ich Euch, Señor. Es ist geradezu ein Wunder, daß wir beiden, die wir die gleiche Heimat haben, uns in einem so fremden Land, in ganz derselben Stadt und in ganz demselben Kerker finden. Ich habe nachgesonnen, ob nicht eine Rettung möglich sei, aber vergebens, unser Zusammentreffen aber nehme ich für einen Befehl vom Himmel, nicht alle Hoffnung zu verlieren. Gott kann unmöglich wollen, daß Ihr die Enthüllung Eurer Familiengeheimnisse hier findet und dann untergeht. Ich bin ein schlichter, einfacher Mann, Ihr aber seid ein vornehmer Herr, der mehr Klugheit und Scharfsinn besitzt als ich. Vielleicht gelingt es Euch, eine Weise zu ersinnen, wie wir uns mit vereinter Kraft aus dem Kerker und diesem Land retten können. So, das ist alles, was ich Euch zu sagen habe. Ich überlasse es Euch, ob auch Ihr mir erzählen wollt, wie Ihr nach Härrär gekommen seid.“
    Er schwieg. Er erwartete jedenfalls eine Antwort, aber sie blieb aus. Der alte Graf war in Gedanken versunken. Er hatte jetzt so viel gehört, er hatte den ersten Schlüssel zu dem Rätsel gefunden, dessen Lösung ihm bisher unmöglich gewesen war. Durfte er dies als eine Fügung Gottes betrachten, so folgte daraus die Hoffnung, vom Tod und der langjährigen Knechtschaft errettet zu werden. Endlich fragt er den Gärtner:
    „Weißt du oder ahnst du vielleicht, woher dein Oheim, der Pater Dominikaner, etwas über jene Kindesverwechslung und über jenen Gefangenen auf dem Schiff des Kapitän Landola gehört hat?“
    „Nein. Ich habe Euch bereits erzählt, daß ich den Oheim nicht wiedergesehen habe.“
    Der freundliche Leser wird sich entsinnen, daß dieser Pater Dominikaner zweimal die Beichte eines Sterbenden gehört hatte. Einmal in der Räuberhöhle, als der totkranke Bettler Pedro, der eigentlich Manuel Sertano hieß und aus Mataro war, ihm sagte, daß er den Knaben umgewechselt habe. Das andere Mal im Kerker zu Barcelona, als der sterbende Steuermann Jaques Garbilot in Sternaus Gegenwart von dem Gefangenen, welchen Kapitän Landola von Mexiko mitnahm, erzählt hatte. Dies waren die beiden Quellen, aus denen der Priester geschöpft hatte. Davon aber wußte Don Ferdinande nichts. Er fragte weiter:
    „Woran ist denn mein Bruder Emanuel gestorben?“
    „O, wenn er wirklich gestorben ist, so hat er einen sehr traurigen Tod gehabt, Señor.“
    „Der Arme! Erzähle!“
    „Er wurde zunächst blind –“
    „Das weiß ich. Er war bereits blind, als ich mich noch in Mexiko befand.“
    „Später wurde er wahnsinnig –“
    „Herrgott, ist das möglich!“ rief der Graf.
    „Ob es möglich ist, Señor? Jedenfalls. Aber ob er es wirklich war, das ist eine andere Frage.“
    „Ich ahne, daß er ein Opfer derselben Machination geworden ist, welcher auch ich erlegen bin. Hat man ihn denn nicht unter die Obhut eines tüchtigen Arztes gestellt?“
    „Darüber raunte man sich sehr eigentümliche

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