45 - Waldröschen 04 - Verschollen
Graf verschwunden. Man suchte ihn und fand seinen zerschmetterten Leichnam in einer tiefen Schlucht liegen.“
Diese Nachricht wirkte so auf Don Ferdinande, daß er keine Worte fand. Bernardo fuhr fort:
„Doktor Sternau untersuchte den Toten und erklärte, daß dieser Mann nicht der Graf sei. Er und Doña Rosa behaupteten, daß man den Grafen entführt und diese Leiche untergeschoben habe. Die Gegner aber erkannten die Leiche als Don Emanuel.“
„Schändlich! Teuflisch!“ stieß der Mexikaner hervor. „Weiter, weiter!“
„Sternau war ein ganz ungewöhnlicher Mensch, ein wahrer Held, er hätte sich von seinen Gegnern niemals überwinden lassen; aber in der Nacht war er verschwunden, und Doña Rosa wurde geradeso wahnsinnig wie ihr Vater. Man munkelte, daß man den Deutschen entführt oder getötet und der Contezza ganz dasselbe Gift eingegeben habe, welches ihrem Vater den Verstand genommen hatte. Die Leiche des Fremden ward als diejenige des Grafen Rodriganda beerdigt, Don Alfonzo wurde Nachfolger, und Doña Rosa, die Wahnsinnige, kam in das fromme Stift, deren Vorsteherin Clarissa war.“
„O, da war nun alles, alles verloren!“
„Nein, noch nicht. Mein Oheim, der Dominikaner, forschte nach, er hatte von Alimpo, der mit seiner Frau vom Schloß gejagt worden war und bei meinem Vater wohnte, alles erfahren, was dieser wußte. Er fand Sternau unschuldig im Gefängnis zu Barcelona sitzen und befreite ihn. Sternau sah ein, daß er jetzt auf offiziellem Weg nichts tun könne. Er entführte Doña Rosa aus dem Stift und floh mit ihr und Alimpo und Elvira nach seiner Heimat.“
„Gelang die Flucht?“
„Ja, obgleich man ihm sofort nachjagte.“
„So befindet sich Rosa jetzt noch in Deutschland?“
„Wahrscheinlich. Als ich in Spanien lebte, war sie Sternaus Frau geworden.“
Don Ferdinande fuhr überrascht auf.
„Sie, eine Gräfin Rodriganda, die Frau eines deutschen Arztes?“ sagte er.
„Ja. Ihr dürft Euch nicht darüber wundern, Señor. Sternau war ein Mann, wie ich noch keinen gesehen habe, ein Mann wie ein König und doch so gut und mild. Er hat es an den Rodrigandas verdient, daß er der Mann ihrer Tochter geworden ist.“
„Du magst recht haben. Obgleich sich soeben das stolze Blut meiner Väter in mir regen wollte, bin ich doch jetzt nichts, als ein elender, hilfloser Sklave. Vielleicht ist meine Nichte in den Armen dieses Mannes glücklicher, als wenn sie das Weib eines Herzogs geworden wäre. Aber sie war ja wahnsinnig. Wie konnte er sie da heiraten?“
„Er hat sie geheilt, wie ihm auch die Heilung Don Emanuels gelungen wäre, wenn man ihn nicht in dem Kerker hätte verschwinden lassen. Er strengte von Deutschland aus einen Prozeß an und erreichte es, daß die von ihm Gerettete als Gräfin Rodriganda anerkannt und ihr das ihr gehörige Erbteil ausgezahlt wurde.“
„Und dann weiter! Hat er nicht seine Behauptung aufrecht erhalten, daß jene Leiche nicht diejenige meines Bruders sei? Hat er nicht Schritte getan, die verbrecherischen Taten Cortejos, Alfonzos und Clarissas aufzudecken?“
„Jedenfalls; aber er war klug genug, nicht öffentlich gegen sie aufzutreten, sondern seine Minen im geheimen anzulegen. Es kamen Fremde, welche sich in Rodriganda, Manresa und Barcelona niederließen, und von denen man meinte, daß es fremde Polizisten seien, welche Rodriganda beobachten sollten. Mein Vater erhielt von Alimpo aus Deutschland zuweilen einen Brief. Im letzten, den er bekam, ehe ich entführt wurde, stand, daß Sternau Deutschland verlassen habe, um zunächst den Grafen Ferdinande de Rodriganda aufzusuchen, also Euch, gnädiger Herr.“
„Mich?“ fragte der alte Mexikaner erstaunt. „Wie kommt das? Hat er vielleicht geahnt, daß ich nicht tot bin?“
„Das weiß ich nicht; aber Sternau war ein sehr, sehr kluger Mann.
„Das sehe ich ein; wenn er mich gefunden hätte, so hätten wir genug Material gehabt, die Bösewichter zu entlarven. Herrgott, wenn er sich noch jetzt auf meiner Spur befände. Wenn er nach Härrär käme, um mich zu befreien!“
„Das scheint mir nicht wahrscheinlich zu sein, Señor! Denkt an die lange Zeit, welche seitdem vergangen ist! Wollen wir wirklich an unsere Befreiung denken, so müssen wir uns vor allen Dingen klar machen, daß wir nur auf uns angewiesen sind.“
„Das ist wahr. Aber wie entkommen? Heilige Mutter Gottes, hilf uns! Ich habe mich bis zum Wahnsinn gesehnt, vor meinem Tod noch einmal die Heimat wiederzusehen; jetzt aber schreit
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