45 - Waldröschen 04 - Verschollen
Sachen zu, gnädiger Herr.“
„Erzähle! Ich will alles hören, alles, verstehst du mich?“
Der Gärtner folgte diesem Gebot nicht sofort. Er schien sich erst besinnen zu müssen. Dann sagte er:
„Ich erfuhr, daß Graf Emanuel neben seiner Blindheit auch an einem gefährlichen Steinleiden leide. Cortejo und Schwester Clarissa ließen drei Ärzte kommen, um den gnädigen Herrn operieren zu lassen. Wenn ich mich nicht irre, so waren dies die Doktoren Francas aus Madrid, Milanos aus Córdova und Cielli aus Manresa.“
„Die beiden ersteren kenne ich per Renommé; es sind sehr tüchtige Ärzte.“
„Das mag sein, aber Contezza Rosa scheint kein Vertrauen für sie gehabt zu haben.“
„Ah, Rosa, meine schöne Nichte! An sie habe ich jetzt noch gar nicht gedacht. Wo befand sie sich, als du noch in Rodriganda warst?“
„Sie war fort. Nämlich Onkel Alimpo und Tante Elvira ließen zuweilen, wenn ich bei ihnen war, Worte fallen, aus denen ich schließen konnte, wie die Sachen standen. Contezza Rosa war mit dem Grafen in Paris gewesen und hatte da einen jungen Arzt kennengelernt. Er war ein Deutscher, aber ein Mann von bereits großen Ruf. Als die drei Ärzte den Grafen operieren wollten, weigerten sie sich, dies geschehen zu lassen, und ließ den Deutschen kommen. Dieser untersuchte den Kranken, obgleich man ihn nicht zu demselben lassen wollte, und erklärte, daß die spanischen Ärzte den Grafen unbedingt töten würden. Nun entstand ein fürchterlicher Streit. Don Alfonzo –“
„Ah“, fiel der Graf ein, „war Alfonzo bereits in Rodriganda?“
„Ja, Don Emanuel hatte ihn kommen lassen. Don Alfonzo, Cortejo und Schwester Clarissa bestanden darauf, daß der Graf von den Spaniern operiert wurde, Contezza Rosa aber wollte ihn nur dem Deutschen anvertrauen. Sie schien überzeugt zu sein, daß die anderen die Absicht hätten, ihr den Vater zu töten.“
„Auch ich glaube fest an diese Absicht, nach dem, was ich erfahren habe. Was geschah? Wer setzte seine Absicht durch?“
„Doña Rosa.“
„Gott sei Dank! So hat sie also doch Festigkeit genug besessen, den Gegnern zu widerstehen.“
„Wer weiß, ob ihr dies gelungen wäre, wenn der Deutsche nicht ein so willensstarker, tüchtiger Mann gewesen wäre. Er drang, als die drei anderen Ärzte sich eingeschlossen hatten, um die Operation zu beginnen, mit Gewalt ein. Man sagt sogar, daß er mit der Pistole das Türschloß zerschossen habe, um sich Eingang zu verschaffen. Er trieb die Mörder hinaus und operierte den Grafen nach einer ganz neuen Erfindung, welche vollständig gelang.“
„Ein braver Mann! Wie war sein Name?“
„Sternau.“
„Kennst du ihn?“
„Ich habe ihn gesehen. Er war ein sehr schöner, hoch und kräftig gewachsener freundlicher Herr. Er besaß Riesenkräfte, denn als er im Park angefallen wurde, besiegte er eine ganze Anzahl Meuchelmörder ohne andere Hilfe als sich selbst.“
„Ah, man wollte ihn morden?“
„Ja.“
„Das bestärkt meine Überzeugung, daß mein Bruder sterben sollte.“
„Dieser Sternau operierte sodann auch die Augen des Grafen.“
„Wirklich?“ fragte Ferdinande rasch. „Wie war der Erfolg?“
„Ausgezeichnet, denn Don Emanuel lernte sehen. Aber alsbald trat ein neues Unglück ein, der Graf wurde nämlich plötzlich wahnsinnig, er wußte nichts mehr von sich, er hielt sich für meinen Oheim Juan Alimpo.“
„O Dios míos! Das Herzeleid hat dem Armen den Verstand genommen.“
„O, der Deutsche ist ganz anderer Meinung gewesen. Er hat den Kranken untersucht und dann gesagt, daß man ihm ein Gift eingegeben habe, welches wahnsinnig macht.“
Don Ferdinande fuhr sich mit den beiden Händen nach dem Kopf und knirschte.
„Ganz so, wie man es bei mir gemacht hat, um den Starrkrampf hervorzubringen. O, es ist gewiß, es ist über allen Zweifel erhaben, daß es eine heimliche Verschwörung gegen uns gegeben hat. Und nun kenne ich auch den Zweck, welchen man verfolgte. O Gott, hilf, daß ich meine Freiheit wieder erlange! Hilf, daß ich als Rächer auftreten kann, um die Schändlichen zu vernichten! Doch sage, Bernardo, war dieser Wahnsinn unheilbar?“
„Ja, wenn Sternau nicht gewesen wäre. Aber er sagte, das Gift sei nur bei einem wilden Volk zu haben, bei welchem er auch gewesen war. Er kannte das Gegengift und gab es dem Grafen ein.“
„Und der Erfolg? Schnell, schnell!“ gebot Ferdinande in höchster Aufregung. „Der Erfolg wäre sicher gewesen; aber am nächsten Morgen war der
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