45 - Waldröschen 04 - Verschollen
wollt.“
„Wer bist du, daß du es wagst, Gehorsam von uns zu fordern?“
„Ich bin der Beherrscher dieser Stadt, dem alle gehorchen müssen, welche sich hier befinden.“
„Bist du der Gouverneur, so komm herauf zu mir, damit ich mit dir sprechen kann!“
„Komm herab zu mir; ich bin mehr als du!“
„Wenn du nicht kommst, so werden dir meine Kugeln zeigen, wer von uns beiden der Höhere ist, ich oder du!“
Der Gouverneur beriet sich mit den Seinigen und antwortete dann:
„Du handelst als unser Feind, ich darf mich dir nicht anvertrauen.“
„Ich gebe dir mein Wort, daß dir nichts Böses geschehen soll.“
„Und daß ich dein Schiff wieder verlassen kann, sobald es mir gefällt?“
„Ja.“
„Schwöre es mir.“
„Ich schwöre es.“
„So werde ich mir überlegen, ob ich kommen werde.“
„Überlege es dir! Ich gebe dir zwei Minuten Zeit; ist diese Frist verflossen, so beginnt bei mir das Schießen wieder.“
Der Gouverneur beriet von neuem; der Steuermann aber hielt den Lauf eines der Geschütze nach dem Haus dieses Mannes gerichtet. Die zwei Minuten verstrichen, und noch immer zeigte sich der Araber unschlüssig.
„Feuer!“ befahl der Kapitän.
Der Schuß krachte, und abermals flog das von der Kugel zerrissene Mauerwerk nach allen Seiten auseinander. Das entschied; der Gouverneur merkte, daß mit diesen Fremden nicht zu scherzen sei, und rief eiligst:
„Halt, ich komme! Aber ich bringe meine Leute mit, um mich zu schützen.“
„Mein Schwur ist dein Schutz“, antwortete der Kapitän. „Du nur allein darfst das Schiff besteigen; auf jeden anderen werde ich schießen lassen.“
Er hatte sich vorgenommen, seinen Willen ohne alle Nachsicht durchzusetzen. Hatten andere Nationalitäten aus Handelsrücksichten es vorgezogen, sich von diesen Mohammedanern alles gefallen zu lassen, so wollte er dem deutschen Namen Ehre machen und den letzteren zeigen, daß sie nicht die Kerle seien, vor denen man sich zu fürchten habe.
Der Gouverneur sah sich gezwungen, nachzugeben. Er kam an Bord, als man ein Feld des Enternetzes entfernte und die Falltreppe niederließ.
Er musterte mit finsteren Blicken die anwesende Bemannung, und als er alles in allem nur vierzehn Männer zählte, fragte er, ohne vorher zu grüßen:
„Sind dies alle deine Leute?“
„Ja.“
„Und mit diesen wenigen wagst du es, mir zu widerstehen?“
„Du hast gesehen und erfahren, daß ich es wagen kann. Wir sind Deutsche, und ein einziger Deutscher nimmt es mit zwanzig deiner Leute auf.“
Diese stolzen Worte waren zwar in Superlativ gesprochen, aber sie verfehlten dennoch ihre Wirkung nicht. Der Gouverneur ließ sich nach dem Hinterdeck bringen, wo er auf einem Teppich Platz nahm. Ihm gegenüber setzte sich der Kapitän; rechts stand der Steuermann und links der Dolmetscher. Die Hälfte der Mannschaft stand in der Nähe, während die andern die feindlichen Boote zu beobachten hatten.
Der Kapitän hatte es unterlassen, den bei jeder Besprechung in diesen Ländern sonst üblichen Kaffee nebst obligaten Tabakspfeifen reichen zu lassen. Man stand sich ja noch als Feind gegenüber, so daß die geringste gastfreundliche Erweisung ein Fehler gewesen wäre.
Die beiden Unterhandelnden betrachteten zunächst einander forschend. Das wettergebräunte Gesicht des Kapitäns stach mit seinen ehrlichen, biederen Zügen höchst vorteilhaft gegen die schlaue Miene des Gouverneurs ab. Dieser war bereits bei Jahren, aber trotz des Anfluges von Ehrwürdigkeit, der ihm nicht abzuleugnen war, tat ihm doch der Zug jener bigotten Pfiffigkeit Eintrag, welcher den Arabern der Küste eigentümlich zu sein pflegt. Erst nach einer Weile begann er das Gespräch:
„Ich bin gekommen, dich zur Rechenschaft zu ziehen. Du sitzt als Sünder und Verbrecher vor mir und wirst deine Strafe erleiden.“
„Du irrst“, antwortete der Deutsche. „Ich bin es, der dich hat kommen lassen, um dich zur Rechenschaft zu ziehen. Du hast meinen Willen befolgt und bist gekommen; dies ist der beste Beweis, daß nicht ich der Sünder und Verbrecher bin. Von einer Strafe könnte übrigens nie die Rede sein, denn du bist der Mann nicht, den ich als Richter über mich anerkennen würde. Um dir aber zu zeigen, daß ich gerecht bin, werde ich geneigt sein, anzuhören, welche Ursache zu Beschwerden du zu haben meinst.“
„Du sollst sie hören; es sind ihrer viele. Du hast dich geweigert, dein Schiff durchsuchen zu lassen, du hast meine Leute gefangengenommen. Du
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