45 - Waldröschen 04 - Verschollen
zwar nach Zeyla, aber ich stehe unter dem Schutz meiner Flagge und werde nicht dulden, daß er mir feindselig begegnet.“
„Ah, du fährst nach Zeyla?“
„Ja.“
„So wirst du uns Rechenschaft geben, vorher aber unser Fahrzeug retten.“
„Ich sehe, daß du unverbesserlich bist, und darum werde ich dir zeigen, daß ich das tue, was mir gefällt. Vielleicht wäre dein Schiff zu retten, ich aber erkläre, daß sich das meinige in Gefahr befindet, solange es mit dem deinigen zusammenhängt. Ich muß mich selbst vor Schaden bewahren.“
Er griff zum Beil und durchhieb das Schlepptau, so daß das arabische Fahrzeug nun sich selbst überlassen blieb. Da trat der andere zornig auf ihn zu und rief:
„Was wagst du, Hund? Du opferst mein Schiff, und jetzt sehe ich auch, daß du meine drei Krieger gefesselt hast! Hätte ich mein Gewehr mitgenommen, so würde ich dich erschießen wie einen Schakal, aber mein Messer wird dir zeigen, wer hier Herr ist!“
Er zog wirklich das Messer aus dem Gürtel, in demselben Augenblick aber traf ihn die gewaltige Faust des Deutschen so, daß er zusammenbrach. Das sahen die Araber, sie machten Miene, ihren Anführer zu befreien, aber der Dolmetscher rief ihnen zu:
„Um des Propheten willen, bleibt ruhig, sonst werdet ihr erschossen, die Kanonen sind auf euch gerichtet. Dieser Mann ist Herr des Schiffes, was er befiehlt, das geschieht. Euer Leben ist in seine Hand gegeben!“
Jetzt erst begriffen sie ihre Lage und bequemten sich dazu, auf allen Widerstand zu verzichten. Ihr Anführer wurde gefesselt und unter Deck gebracht. Ihnen nahm man alles Waffenähnliche ab und steckte sie dann in den Kielraum, wohin auch ihre drei Gefährten geschafft wurden, welche bis jetzt am Mast befestigt gewesen waren.
„Du wagst viel!“ sagte der Dolmetscher zum Kapitän. „Der Gouverneur wird wirklich Rechenschaft von dir verlangen!“
„Du irrst“, antwortete der Deutsche lächelnd. „Ich werde Rechenschaft von ihm verlangen, denn seine Diener haben gegen die Gesetze gehandelt und mich persönlich beleidigt.“
„Aber selbst wenn er dich nicht bestrafen kann, wirst du doch großen Schaden haben. Der Gouverneur wird dir verbieten, zu handeln und deine Waren zu verkaufen.“
„Das werde ich abwarten. Verbietet er es mir wirklich, so weiß ich bereits genau, was ich tun muß, um diesen Schaden ersetzt zu bekommen.“
Um der Gefangenen sicher zu sein, stellte er einen der Matrosen als Wachtposten vor den Kielraum und sah dem Kommenden ohne Sorge entgegen.
Da Zeyla keinen Hafen besitzt und die Schiffe auf der dortigen Reede ankern müssen, zu welcher die Einfahrt wegen der vorliegenden Felsen eine schwierige ist, so mußte die Brigg, welche die Nähe der Stadt erreicht hatte, während der Nacht lavieren und konnte erst am Morgen den Eingang gewinnen. Sie begrüßte die Stadt mit Kanonenschüssen und ließ die Anker fallen.
Zeyla, welches ungefähr viertausend Einwohner zählt, besteht aus vielleicht einem Dutzend großer, steinerner Häuser, welche weiß getüncht sind, und einigen Hundert Hütten, welche man aus dem einfachsten Material errichtet hat. Die Stadtmauern sind aus Korallenstücken und Schlamm gebaut, haben weder Schießscharten noch Kanonen und sind an vielen Stellen eingefallen. Es macht von der See aus, besonders da es auf einer niedrigen Sandbank liegt, keineswegs einen sehr imponierenden Eindruck.
Dennoch beherrscht es die Hafenplätze der Umgegend nebst der ganzen Küste und ist der Sammel- und Zielpunkt zahlreicher Karawanen, welche aus dem Innern kommen oder von hier aus in das Binnenland gehen, um ihre Waren dort abzusetzen.
Vom Verdeck der Brigg aus bemerkte man zahlreiche Menschen, Kamele und Pferde, welche in der Nähe der Stadt lagerten. Es waren jedenfalls Handelskarawanen angekommen, und so gab sich der Kapitän sogleich der angenehmen Hoffnung hin, hier ein gutes Geschäft zu machen.
Nachdem die Anker gefallen waren, kam ein Boot, aus welchem ein Araber an Bord stieg, der sich einer würdevollen Haltung befleißigte. Es war der Hafenmeister. Er verlangte die Schiffspapiere zu sehen, um sie dem Gouverneur vorzulegen, da von diesem die Erlaubnis, hier zu ankern, abhängig war. Er fragte, woher das Schiff komme, was es geladen habe und ob ihm ein Fahrzeug mit entflohenen Sklaven begegnet sei. Der Kapitän gab ihm Auskunft und überreichte ihm die begehrten Papiere, vermied aber, ihm zu sagen, daß er Gefangene an Bord habe. Der Hafenmeister schien befriedigt
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