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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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entgegen. Als sie nahe heran war, fiel durch ein offenes Fenster der Lampenschein auf den Fremden, zwar nur auf einen Augenblick, aber doch so, daß man das Gesicht erkennen konnte.
    Alle beide stutzten, sowohl der Kapitän wie auch der Steuermann.
    „Alle Teufel!“ sagte der erstere. „War das ein Geist?“
    „Welche Ähnlichkeit!“ fügte der zweite bei.
    „Der Teufel soll Euch holen, wenn er es nicht war! Kommt, Steuermann; wir müssen ihm nach.“
    Sie wendeten um und eilten dem Mann nach. Er schwenkte eben nach einem Wohnhaus ein, welches inmitten eines Gartens lag. Dort klingelte er. Nach ganz kurzer Pause wurde geöffnet, und es erschien eine sehr schöne junge Dame, welche eine Lampe trug. Das Licht derselben fiel voll auf den Ankommenden, und man hörte deutlich den Gruß der Dame:
    „Ah, Señor Mariano! Willkommen! Señor Sternau erwartet Sie schon.“
    „Beim Teufel, er ist's!“ sagte der Kapitän.
    „Ja, er ist's“, stimmte der Steuermann bei.
    „Und wißt Ihr, wer hier wohnt?“
    „Wer?“
    „Jener Sternau, der uns an der Küste von Jamaika mit seiner Jacht angriff und alle meine Offiziere niederschoß, mich aber nur verwundete. Ihr rettetet Euch damals, und darum seid Ihr mein Steuermann geworden.“
    „Donnerwetter, könnten wir denn da nicht ein wenig das Korps der Rache spielen? Ich hätte große Lust dazu!“
    „Ich habe nicht nur Lust, sondern für mich ist's eine Lebensfrage, ob ich diese Halunken wieder in meine Hand kriege oder nicht. Horch, sie kommen auf die Gartenveranda! Da können wir lauschen. Schnell, über den Zaun!“
    Sie schwangen sich über den Zaun hinüber und versteckten sich hinter einigen üppig wuchernden Zierbüschen.
    Die Bewohner des Hauses kamen allerdings auf die Veranda. Es wurden zwei Tische zusammengeschoben und mit einem weißen Tuch bedeckt. Man stellte die Lampe darauf, präsentierte einige Früchte und begann eine lebhafte Unterhaltung. Um die Tische saßen Sternau, Mariano, ‚Büffelstirn‘, ‚Bärenherz‘, ‚Donnerpfeil‘ der Steuermann Helmers, Emma und Karja.
    Sie waren erst gestern in dem Ort angekommen, und da es nicht sogleich ein Schiff gab, welches sie benutzen konnten, so hatten sie sich in Privatwohnungen eingemietet und hielten hier bei Sternau ihre Zusammenkunft.
    Das Gespräch erstreckte sich auf verschiedene Privatsachen, welche die Lauscher nicht interessierten; endlich aber nahm es doch eine höchst spannende Wendung, denn Emma fragte:
    „Und wenn Sie Mexiko erreicht haben, Señor Sternau, was werden Sie dann tun?“
    „Ich werde ein wenig nach Afrika fahren“, antwortete er.
    „Ah, Sie kühner Mann! Was wollen Sie denn dort?“
    „Ich will den alten Grafen Ferdinande de Rodriganda suchen.“
    „So glauben Sie also wirklich, daß er noch lebt?“
    „Ich glaube, daß er in Mexiko nicht gestorben ist. Sie haben doch von jenem schuftigen Henrico Landola gehört?“
    „Dem Seeräuber, den Sie bei Jamaika mit in den Grund schossen?“
    „Ja. Dieser hat den alten Grafen nach Afrika geschafft, an die Ostküste dieses Erdteils. Ich weiß ganz genau, wo ich ihn zu suchen habe. Wenn er nicht gestorben und verdorben ist, werde ich ihn in Härrär finden.“
    „Und dann, meinen Sie, ist die Schlinge gegen diese Cortejos zum zusammenziehen fertig.“
    „Nein. Erst muß der alte Graf Emanuel de Rodriganda, mein Schwiegervater, aufgefunden werden. Ich bin überzeugt, daß er noch lebt. Aber, weg mit diesen Traurigkeiten! Heute habe ich an meine Frau geschrieben, und ich will mir ihr liebes Bild nicht durch solche Schatten schwärzen lassen.“
    Von jetzt an nahm die Unterhaltung einen so einfachen Verlauf, daß die Lauscher gar nicht mehr auf sie hörten.
    „Dieser Schuft, dieser Sternau!“ knirschte der Kapitän, in dem wir ja schon längst Landola wiedererkannt haben.
    „Nehmen wir ihn fest, Kapitän!“ meinte der Steuermann.
    „Das tue ich, und soll es mir den Hals kosten. Aber wie es anfangen!“
    „Das findet sich. Es gilt zunächst, die jetzigen Verhältnisse und Absichten der ganzen Sippe kennenzulernen. Ihr dürft Euch nicht sehen lassen.“
    „Pah, ich habe meine falschen Bärte!“
    „Auf die kann man sich solchen Leuten gegenüber nicht verlassen. Ich werde für Euch handeln. Ich werde bereits morgen zu spionieren beginnen, und es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn sich nicht eine Durchfahrt finden ließe.“
    „Ich hoffe es. Aber hört, sie brechen auf. Wir müssen diesem Mariano nachgehen; ich muß unbedingt

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