45 - Waldröschen 04 - Verschollen
gewöhnt, es schien sich sehr schwer zu öffnen. Er trat zur Seite, um mehr Kraft anwenden zu können. Da plötzlich sprang die Tür auf, und zu gleicher Zeit krachte ein Doppelschuß. Das Pulver sprühte ihnen aus der Türöffnung entgegen und zwei der Indianer stürzten nieder.
Die Indianer standen vor Schreck wortlos da, und nur der ‚Panther‘ blieb gefaßt. Er bückte sich kaltblütig zu den Gefallenen nieder, leuchtete sie an und befühlte sie, dann sagte er:
„Sie sind tot. An einen Selbstschuß habe ich nicht gedacht. Er war mit zwei Kugeln geladen. Schafft sie zur Seite.“
Dann leuchtete er empor, um das Gewölbe zu untersuchen, und sagte, um seine Leute zu beruhigen:
„Man kann die Schüsse da oben gar nicht hören. Sie waren ganz allein zur Verteidigung angebracht, nicht aber, um die Bewohner des Hauses zu alarmieren. Übrigens haben wir die beiden Wächter und im Notfall unsere Waffen. Treten wir also ein!“
Es rührte ihn nicht im mindesten, daß er nur durch einen geringfügigen Zufall dem Tod entgangen war. Hätte er nicht zur Seite gestanden, so wäre er von einer der Kugeln oder von allen beiden getroffen worden.
Das kleine Gewölbe konnte gar nicht alle fassen. Aber diejenigen, welche eintreten konnten, sahen nichts als sechs schwarze, eiserne Kisten, welche am Boden standen. Keiner von ihnen wußte, um was es sich eigentlich handele; der Anführer hatte es nicht für gut befunden, ihnen mitzuteilen, daß es sich um den Raub von fünf Millionen handle.
„Faßt an!“ gebot er.
Es gehörten vier starke Männer dazu, eine der Kisten in die Höhe zu heben.
„Nun fort damit, hinauf, und zunächst in den Hof.“
Der ‚Panther‘ leuchtete voran, und seine Leute schleppten die überreiche Beute hinter ihm her. Als er zu den Schildwachen gelangte, fragte er:
„Habt ihr den Schuß gehört?“
„Nur dumpf“, lautete die Antwort.
„Verspürtet ihr oben etwas Verdächtiges?“
„Nein.“
„So kommt alle! Löscht aber zuvor die Laternen aus und laßt sie zurück.“
Nur er allein ließ die seinige brennen, um den Flur und die nach der Etage führende Treppe zu beleuchten. Er fand alles in Ruhe und Sicherheit und öffnete nun die Hoftür, nachdem er sein Licht auch verlöscht hatte. Seine Leute folgten ihm hinaus, keuchend unter der Last.
Es ging bis hin zur Mauer, hinter welcher ein Weg vorüberführte. Zwei Männer standen hier, welche nicht untätig gewacht, sondern einen Block hingestellt hatten, über welchen einige starke Bretter vom Boden hinauf zur Kante der Mauer führten. Der ‚Panther‘ war umsichtig gewesen und hatte für alles gesorgt. „Ist der Wagen noch nicht da?“ fragte er die Wachen.
„Er wartet bereits draußen“, antwortete der eine.
„Hörte man ihn kommen?“
„Nein, denn die Hufe und die Räder sind ja umwickelt. Nur die Pferde schnaubten ein wenig.“
„So, nun schnell an das Werk, damit wir vollends zu Ende kommen.“
An der anderen Seite der Mauer hielt ein Wagen, welcher mit vier Pferden bespannt war. Die Kisten wurden mit Hilfe der Bretter zunächst auf die Mauer gebracht und dann auf den Wagen geladen. Dies ging nicht ganz geräuschlos ab, aber man befleißigte sich einer solchen Schnelligkeit, daß keine Gefahr zu befürchten war, selbst wenn jemand Verdacht geschöpft hätte und herbeigekommen wäre. Das hätte ja immerhin eine gewisse Zeit erfordert.
Als die Kisten sich auf dem Wagen befanden, gab der ‚Panther‘ Befehl zum Aufbruch. Einer seiner Untergebenen wagte zu fragen:
„Sollen wir nicht unsere Toten mitnehmen, Señor?“
„Nein“, antwortete er barsch. „Sie bleiben da, ebenso wie die Laternen und diese Bretter, damit niemand denken möge, daß der Engländer selbst mit diesen Kisten geflohen sei. Also vorwärts. Es kommt nur noch darauf an, den Wagen glücklich aus der Stadt zu bringen. Wer euch hindern will, den schießt ihr einfach nieder.“
Der Wagen fuhr ab. Der ‚Panther‘ blieb noch eine Weile auf der Mauer stehen, dann zog er einen Zettel aus der Tasche, warf ihn in den Hof zurück und sprang jenseits hinab auf den Weg. Auf demselben schlich er sich fort, trat um zwei dunkle Ecken und stand nun vor zwei Männern, welche ein Frauenzimmer zwischen sich hatten.
„Ihr könnt gehen und mir mein Pferd bringen“, gebot er.
Sie entfernten sich eilig. Er wartete, bis er von ihren leisen Schritten nichts mehr hörte, dann sagte er:
„Nun, Señora, ist Euch die Zeit lang geworden?“
„Unendlich!“
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