Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
anderen folgten respektvoll in einiger Entfernung. Die Pferde gingen sicher, obgleich es sehr dunkel war, sie und ihre Reiter schienen jeden Schritt breit des Weges zu kennen. Die ganze Umgegend, die ganze Natur war in tiefe Stille versunken, so auch der ‚Panther‘. Doch endlich fragte er seinen Sohn:
    „Weißt du noch, als wir den Präsidenten Santa Anna aus Mexiko jagten?“
    „Ich weiß es“, antwortete der Gefragte einfach.
    „Es gab einen fürchterlichen Straßenkampf, in welchem unser Häuflein fast erlag.“
    „Ja. Ich erhielt einen Stich in die Brust und einen Hieb über den Kopf und stürzte nieder. Als ich erwachte, lag ich im Bett in einem schönen Zimmer.“
    „Im Haus des Engländers Lord Lindsay. Ich hätte dich wohl damals verloren, denn jede deiner Wunden schien tödlich. Aber man pflegte dich wie einen Sohn und gab dich mir wieder. Wir schworen beide, dankbar zu sein.“
    „Wir sind es noch nicht gewesen.“
    „Wir werden es morgen sein. Ich soll mir aus dem Haus des Engländers Geld holen und ihn und seine Tochter töten. Er soll sehen, daß der ‚Panther des Südens‘ keine Wohltat vergißt. Ich werde das Geld holen, ihn und seine Tochter aber nicht töten, sondern beide in die fernen Berge von Chiapa als Gefangene senden. Sie dürfen uns nicht sehen, sie dürfen nicht wissen, wer ihnen das Geld nahm. Darum werde ich sie einem anderen anvertrauen, der sie festnimmt und an ihren Bestimmungsort bringt, wo sie nicht entfliehen können, sondern bewacht werden, so lange es mir gefällt.“
    „Wieviel Geld ist es?“
    „Fünf Millionen.“
    Der Sohn antwortete nicht. Diese Summe war so groß, so unfaßbar für ihn, daß ihm mit der Sprache fast der Atem ausging. Aber eben so groß und unfaßbar dünkte ihm auch die Dankbarkeit seines Vaters, der ja nur aus Dankbarkeit die fünf Millionen nahm, ohne den Besitzer zu töten. –
    Am anderen Abend blieb Lindsay etwas länger als gewöhnlich wach mit seiner Tochter. Er hatte einen sehr ausführlichen Bericht nach der Heimat zu verfassen gehabt und unterhielt sich dann mit Amy noch über den Besuch des alten ehrlichen Haziendero und über die verschollenen Freunde. Über Amys Wesen lag ein Hauch tiefer Schwermut ausgebreitet, welcher ihre angeborene Lieblichkeit zu verdoppeln schien, und auch der Lord war mißmutiger als gewöhnlich gestimmt. Er war der ewigen mexikanischen Wirren herzlich müde und sehnte sich aus diesem Land fort, welches nie zur Ruhe kommen konnte. Endlich nahmen sie einen herzlichen, innigen Abschied voneinander, der Lord steckte, da die Dienerschaft bereits zur Ruhe gegangen war, sich sein Licht selbst an und begab sich nach seinem Schlafzimmer.
    Dort öffnete er den Toilettentisch, drückte an der verborgenen Feder, worauf ein Kästchen aufsprang. In dieses legte er mehrere Schlüssel, welche er aus der Tasche zog, und verschloß es dann durch denselben Federdruck.
    Er bemerkte nicht, daß unter dem Bett hervor vier Augen jeder seiner Bewegungen mit der größten Aufmerksamkeit folgten. Er entkleidete sich, verlöschte das Licht und begab sich zur Ruhe. Bald hörte man an seinen leisen ruhigen Atemzügen, daß er eingeschlafen sei.
    „Hast du die Feder bemerkt?“ raunte es, selbst für einen Wachen, der im Bett gelegen hätte, ganz unhörbar unter demselben.
    „Ich würde sie im Dunkeln finden“, lautete die ebenso leise Antwort.
    „So komm!“
    Kein Laut, nicht die leiseste Spur von Geräusch verriet, daß jetzt zwei Gestalten unter dem Bett hervorkrochen und sich dann neben dem Vorhang desselben emporrichteten. Der eine der Männer zog ein Tuch und ein Fläschchen aus der Tasche, tröpfelte die Flüssigkeit auf das erstere, schlug den Vorhang zurück und trat zu dem Schlafenden. Er hielt ihm erst das Tuch vorsichtig nahe an Mund und Nase, und als er das Geräusch des Atmens nicht mehr hörte, legte er es ihm ganz auf das Gesicht.
    „Fertig!“ sagte er jetzt halblaut. „Gib die Maske her!“
    „Soll ich das Licht anbrennen?“
    „Ja; schließe aber die Vorhänge erst!“
    In einer Minute brannte das Licht wieder. Dem narkotisierten Lord wurde eine schwarze Kopfbedeckung über den Kopf gezogen, welche unten am Kinn zugebunden werden konnte. Sie hatte nur drei Öffnungen, für die Augen und den Mund. Dann zogen ihm die beiden Indianer, denn solche waren es, die sämtlichen Kleider wieder an und steckten ihm, da er nun bald wieder erwachen konnte, durch das Loch der Maske einen Knebel in den Mund.
    Unterdessen war

Weitere Kostenlose Bücher