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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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vor und bei Eintritt dieses Ereignisses alles getan, was im Bereich der liebevollsten Hilfeleistung steht, und die männlichen waren schweigend umhergelaufen oder hatten die Köpfe zusammengesteckt und von einem ‚vielleicht ein Mädchen‘ oder gar einem ‚Donnerwetter, wenn's gar ein Junge wäre‘ zu munkeln. Der Hauptmann saß in seinem Arbeitszimmer, rechnete und rechnete, und als er nicht fertig werden konnte, da bemerkte er, daß er subtrahiert statt dividiert und addiert statt multipliziert hatte. Und als er wieder von vorne anfing, um die Bestände seiner Waldungen zu berechnen, da mengte er Scheffeln, Erlen, Hasen, Morgen, Rehe, Tannen, Unterförster, Quadratrouten und Rebhühner so gründlich untereinander, daß er die Feder wegwarf und halb zornig, halb lachend ausrief:
    „Kreuzbataillon, nun hört's aber auf! Was einen das verrückt macht, wenn sich so ein Bub oder Mädel einstellen will! Ich danke doch meinem lieben Gott, daß er mich nicht mit vielen Kindern gesegnet hat. Wäre ich so ein zwölf- bis sechzehnfacher Familienvater geworden, so möchte ich nur meine Rechnungen, Gutachten und Monatsberichte sehen. Ich mengte Eichen, Ziehflaschen, Dachse, Wiegenpferde, Windeln, Holzklaftern, alles, alles untereinander. Aber neugierig bin ich doch, wer da Gevatter wird!“
    Und indem er das sagte, ging die Tür auf und der ehrliche Ludewig Straubenberger trat ein, stellte sich in Achtung und wartete, bis er angeredet wurde.
    „Was willst du?“ fragte der Oberförster.
    „Um Verlaub, Herr Hauptmann, ich möchte bloß fragen, was.“
    „Was?“ wiederholte der Hauptmann, ganz erstaunt über diese geistreiche Ausdrucksweise. „Was?“
    „Ja, was?“
    „Nun, was denn, zum Teufel?“
    „Ja, das ist es ja eben! Was denn, zum Teufel? Es fällt mir vor lauter Neugierde das richtige gar nicht ein. Ob ‚Sah ein Knab' ein Röslein stehn‘ oder vielleicht ‚Ein Schäfermädchen weidete‘. Man weiß ja noch gar nicht, ob's ein Junge oder ein Mädchen wird dahier!“
    Da konnte der Oberförster nicht länger an sich halten und donnerte, indem er sich drohend erhob:
    „Kerl, bist du denn ganz und gar perplex geworden?“
    „Zu Befehl, Herr Hauptmann, allerdings ganz perplex“, nickte Ludewig.
    „Aber was, zum Teufel, ist's denn eigentlich mit dem Knab' und dem Schäfermädchen, he?“
    „Nun, die Burschen stehen mit den Waldhörnern unten. Wird's ein Junge, so denke ich, wir blasen ‚Sah ein Knab' ein Röslein stehn‘, wird's aber ein Mädel, so blasen wir ‚Ein Schäfermädchen weidete‘. Oder befehlen der Herr Hauptmann vielleicht ‚Ich bin vom Berg der Hirtenknab‘ und ‚Bin i net a schöner Rußbuttenbub‘ oder ‚Das Mädchen hat ein hübsch Gesicht‘ und ‚Mädle, ruck, ruck, ruck an meine grüne Seite‘. Das sind alles lauter wunderschöne Lieder, und wir blasen sie vierstimmig mit Gefühl und Dreivierteltakt dahier.“
    Der Oberförster hatte diese Auslassung seines Lieblingsgehilfen vor lauter Erstaunen wortlos angehört, jetzt aber bekam er die Sprache wieder:
    „Kerl, Mensch Ludewig, soll ich dich etwa hinauswerfen, dich, die anderen, den Rußbuttenbub', die grüne Seite und den ganzen Dreivierteltakt? Bläst man denn einer schwachen Wöchnerin die Ohren voll, he? Leg' du dich doch einmal hin und laß dich anmusizieren, wenn der Storch in deiner Feueresse klappert! Nein, so etwas ist doch unerhört!“
    Der arme Ludewig stand da, als ob ihn der Schlag gerührt hätte. Er brachte vor lauter Verlegenheit nichts hervor als:
    „Ich soll mich hinlegen, Herr Hauptmann! Ich habe mir doch noch gar keine Frau genommen und bin zweitens auch nicht verheiratet!“
    „Das weiß ich! Aber das war nur so ein Beispiel. Ich sage dir, Ludewig, diese Blaserei ist die größte Dummheit, die du dir in deinem ganzen Leben ausgesonnen hast. Ich denke –“
    Er wurde unterbrochen, denn die Tür wurde aufgerissen, und der kleine Alimpo keuchte herein, ganz rot vor Anstrengung.
    „Ein Mädchen! Herr Hauptmann!“ meldete er.
    „Ein Mädchen?“ fragte der Oberförster. „Ist's wahr?“
    „Ja. Meine Elvira sagt's auch!“
    „Hurra! Und gesund, Alimpo?“
    „Wie ein Fisch!“
    „Victoria! Hurra! Hurra! Lauf Alimpo, lauf zum Herzog von Olsunna und zu meinem Sohn und sag's, daß es ein Mädchen ist! Ludewig, laß satteln! Ich reite sofort nach Darmstadt zum Großherzog. Ein Mädchen! Ein Mädchen! Na, ihr Kanaillen, was steht ihr denn noch! Heute bekommt alles Freibier. Fräulein Sternau soll gleich

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