46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
Señor?“
„Natürlich.“
„So macht auf der Stelle, daß Ihr fortkommt! Ich will Euch lehren, ein Heiratsbüro um die Dämmerstunde für eine Streichhölzerfabrik in der Morgenstunde anzusehen. Das Bild ist ein altes Erbstück. Eine solche Ehrwürdigkeit lasse ich mir nicht anspucken und verzündholzen. Versteht Ihr mich?“
„Nein.“
„Nun, so will ich es deutlicher sagen. Wenn Ihr nicht sofort dieses Zimmer verlaßt, so werfe ich Euch hinaus, daß Euch alle sechsundachtzig Rippen krachen.“
Er hatte sich in eine vollständige Wut hineingesprochen. Er stand mit geballten Fäusten vor dem Fremden, so daß es aussah, als ob er ihn sogleich fassen wolle.
„Pstchichchchchchch!“ schoß ihm der Tabaksaft abermals entgegen, daß er in größter Eile zurücksprang.
„Was? Auch das noch?“ rief er. „Nun trollt Euch aber auf der Stelle fort, sonst sollt Ihr erfahren, daß der Pastor den Bürgermeister erschossen hat!“
„Pah!“ sagte der Fremde ganz ruhig. „Macht keinen solchen Lärm, sonst spucke ich Euch so an, daß Euch der Saft durch die Mauer hinaus auf die Gasse treibt. Ob ich dableiben will oder nicht, das ist nicht Eure, sondern meine Sache. Ich habe die ganze Nacht gerudert und bin nun müde. Ich werde eine Stunde schlafen.“
Er lehnte seine Büchse an die Wand und legte sich auf die Bank, welche sich lang an der Wand hinzog. Das aber wollte Pirnero nicht dulden.
„Halt, das geht nicht“, sagte er. „Schlaft, wo Ihr wollt, aber nicht bei mir. Ich werde mich allerdings nicht an Euch vergreifen, aber ich werde meine Leute holen, die sollen Euch zeigen, wer der Besitzer des Kaninchens ist.“
Da zog der Fremde seinen Revolver aus dem Gürtel und sagte:
„Tut was Ihr wollt, ich aber sage Euch, daß ich einen jeden, der mir näher kommt, als ich es wünsche, totschießen werde.“
Das imponierte dem Wirt. Er stand eine Weile überlegend da und sagte dann:
„Hm! Ihr seid ein ganz und gar desparater Kerl. So schlaft denn meinetwegen eine Stunde; aber ich hoffe, daß Ihr nicht auch noch im Schlaf spuckt?“
„Nein, wenn mir nämlich nicht von neugierigen Fragen träumt.“
Er steckte den Revolver zu sich und legte sich auf die Seite. Bereits nach kurzer Zeit merkte man es seinem Atmen an, daß er eingeschlafen war. Dieser Mann mußte allerdings sehr ermüdet sein.
Pirnero hatte sich echauffiert. Er nahm ein Gläschen Julep zu sich und wollte sich eben wieder an sein Fenster setzen, als draußen das Getrappel eines Pferdes hörbar wurde. Ein Reiter sprang vom Pferd, band dasselbe an und kam dann herein.
Er war schon bei Jahren, aber noch kraftvoll und rüstig, und trug die schwere, kleidsame Tracht eines Vaquero (Rinderhirten).
Er setzte sich, ließ sich ein Glas Pulque geben und betrachtete den Wirt aufmerksam. Dieser bemerkte dies nicht, denn er saß bereits wieder an seinem Fenster und blickte hinaus. Er schien mit sich zu Rat zu gehen, ob vielleicht der Vaquero auch ein Tabaksspucker sei. Bald aber faßte er sich ein Herz und bemerkte:
„Ausgezeichnetes Wetter!“
„Ja“, antwortete der Vaquero.
Das erfreute den Wirt ungemein. Seine Mienen erheiterten sich; er drehte sich herum, nickte dem Mann freundlich zu und fuhr fort:
„Besonders ausgezeichnet zum Reiten.“
„Ja, bin aber auch die ganze Nacht geritten.“
„Die ganze Nacht? Das klingt ja, als ob Ihr ein Kurier wäret!“
„Es ist auch fast so.“
„Wo wollt Ihr denn hin?“
„Nach Fort Guadeloupe.“
„Da seid Ihr ja. Habt Ihr hier Geschäfte?“
„Nein; ich habe etwas abzugeben. Seid Ihr vielleicht Señor Pirnero?“
„Ja freilich, der bin ich.“
„Lebt Señorita Resedilla noch?“
„Natürlich? Kennt Ihr sie?“
„Nein; aber ihretwegen bin ich hier. Euch ist doch die Hacienda del Erina bekannt?“
„Das versteht sich. Pedro Arbellez ist ja mein Schwager.“
„Nun, Señor Arbellez sendet mich zu Euch. Ich stehe in seinem Dienst.“
„Zu mir? Ah, das freut mich, das freut mich ungeheuer. Ich werde Euch Essen und Trinken geben lassen und meine Tochter holen!“
„Ja, holt sie, damit ich gleich beiden meine Botschaft ausrichten kann.“
Pirnero hatte seinen Ärger ganz vergessen; er eilte in die Küche und brachte Resedilla herbei. Er führte sie zu dem Tisch, an welchem der Vaquero saß und sagte:
„Hier, Resedilla, ist ein Vaquero des guten Oheims Pedro. Er hat uns eine Botschaft auszurichten. Er ist die ganze Nacht geritten; sorge für ihn.“
Das Mädchen gab dem Gast die
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