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46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra

46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra

Titel: 46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und einen Tomahawk, den Tabaksack, den Kugelbeutel und mehrere andere Kleinigkeiten. Und aus dem Boot nahm er zuletzt noch eine Büchse, welche er sorgsam, man müßte sagen, mit einer Art von Verehrung ergriff, daß man sah, er müsse das alte Schießinstrument außerordentlich lieb haben.
    Als er sich jetzt umwendete, bot er einen eigentümlichen Anblick dar. Das hagere Gesicht war von Wind, Sonne und Wetter hart wie Leder gegerbt; das kleine graue Auge hatte einen Blick, so scharf und stechend wie Gift; die lange, große Nase glich einem Geierschnabel, und doch hatte diese ungewöhnliche Physiognomie etwas an sich, was sofort Vertrauen einflößte.
    „Good morning!“ grüßte er.
    „Guten Morgen“, antwortete Pirnero.
    „Das ist Fort Guadeloupe, kalkuliere ich?“
    „Ja.“
    „Ein kleines Nest?“
    „Nicht groß.“
    „Viel Militär da?“
    „Gar keines.“
    „Pfui Teufel! Gibt es ein Store und Boardinghaus hier?“
    „Ja.“
    „Wo?“
    „Zum Tor hinein das dritte Gebäude.“
    „Danke, Sir!“
    Er schritt an Pirnero, der ihn allerdings zu sich selbst gewiesen hatte, vorüber und zum Tor hinein. Seine Schritte waren zwar langsam, aber so weit und ausgiebig, wie sie bei guten Westläufern zu sein pflegen. Ein Ungeübter muß Trab laufen, um mit einem solchen Mann, wenn derselbe Schritt geht, vorwärts zu kommen. Darum halten solche Jäger meist die weitesten Fußtouren aus.
    „Ein Yankee“, brummte Pirnero.
    Er hatte recht. Hätte nicht der Gruß und die Frage nach einem Store und Boardinghaus vermuten lassen, daß der Frager ein Yankee sei, so wäre doch der Ausdruck ‚kalkuliere ich‘ der sicherste Beweis dafür gewesen.
    Während wir sagen ‚ich meine‘, ‚ich denke‘, ‚ich vermute‘, ‚mir scheint‘, sagte der Nordamerikaner ‚ich kalkuliere‘, ‚ich rechne‘. Dies ist ein Zeichen, daß er in seinen Ansichten und Meinungen sorgfältiger zu sein pflegt, als wir.
    Als Pirnero zurückkehrte, fand er den Fremden bei einem Glas in der Stube sitzen. Er nahm an seinem Fenster Platz und blickte hinaus. Es herrschte tiefe Stille im Zimmer, die nur durch das laute, ungenierte Ausspucken des Fremden unterbrochen wurde. Diese Art Leute pflegen stets zu den leidenschaftlichen Tabakskauern zu gehören, und ein Yankee macht sich den Teufel daraus, ob sein Räuspern und Spucken einem anderen unbequem wird.
    Pirnero war außerordentlich begierig, zu erfahren, wer der Fremde sei. Da dieser aber kein Wort von sich gab, so fing er endlich selbst an:
    „Herrliches Wetter!“
    Der Fremde gab einen grunzenden Ton von sich, dessen Bedeutung man unmöglich erraten konnte. Darum wiederholte Pirnero nach einer Weile:
    „Unvergleichliches Wetter!“
    „Hrrrmmmrrruhm!“ hustete der Fremde wieder.
    Da drehte sich Pirnero um und fragte:
    „Sagtet Ihr etwas, Señor?“
    „Nein, aber Ihr!“
    Diese Antwort nahm dem guten Pirnero die ganze Möglichkeit weg, in dieser Weise fortzufahren. Er trommelte sehr unbefriedigt an die Fensterscheibe, versuchte aber dann doch sein Heil in einer weiteren Bemerkung:
    „Heute viel schöner als gestern!“
    „Pchtichch!“ spuckte der Fremde aus.
    Da drehte sich Pirnero um und sagte:
    „Ich habe Euch nicht verstanden, Señor!“
    Der Fremde wälzte sein Tabaksprimchen aus der rechten Backe in die linke, spitzte den Mund und spuckte mit einer solchen Sicherheit aus, daß die braune Tabaksbrühe wie aus einer Klistierspritze geschossen vom Tisch her an Pirneros Nase vorüber und an die Fensterscheibe flog.
    Der Wirt zog ganz erschrocken den Kopf zurück und sagte:
    „Señor, dort am Schrank steht der Spucknapf!“
    „Brauche keinen!“ lautete die Antwort.
    „Das glaube ich! Wer an die Fenster spuckt, braucht keinen Napf. Aber diese Mode ist bei mir und in Pirna ganz und gar nicht Sitte!“
    „So macht das Fenster auf!“
    Das klang so kaltblütig, daß dem Wirt vor Zorn das Blut zu wallen begann. Er beherrschte sich aber und fragte:
    „Kommt Ihr weit her, Señor?“
    „Ja.“
    „So müßt Ihr ein tüchtiger Ruderer sein.“
    „Warum?“
    „Nun, stromauf!“
    „Pah!“
    „Wo seid Ihr abgefahren, Señor?“
    „Müßt Ihr das wissen?“
    „Nun“, meinte Pirnero einigermaßen verlegen, „will man doch gern wissen, wer bei einem einkehrt. Oder habe ich etwa nicht recht?“
    „Pchtsichchchchchch!“ spuckte der Fremde abermals, daß der dünne, braune Strahl an Pirneros Gesicht vorüber an das Fenster flog.
    „Alle Teufel, nehmt Euch in acht!“ rief der

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