46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
meinen Vorderfuß zurückweisen?“
„O nein!“ rief Gerard erfreut. „Hier meine Hand. So finden sich Jäger persönlich zusammen, welche sich bereits dem Namen nach kannten und achteten. Ich wünsche, daß wir uns öfters zusammenfinden!“
‚Geierschnabel‘ war bekannt als einer der besten, aber auch originellsten Jäger des Westens. Gerard empfand eine aufrichtige Freude, ihn hier persönlich zu treffen und drückte ihm den ‚Vorderfuß‘ mit ungeheuchelter Herzlichkeit.
„Aber was führt Euch eigentlich nach Fort Guadeloupe?“
„Davon sprechen wir vielleicht später. Für jetzt mag die Bemerkung genügen, daß ich Juarez suche. Vor allen Dingen ist es notwendig, über die Gegenwart zu reden, ich bin jetzt hier im Fort und fühle daher die Verpflichtung, es mit zu verteidigen. Sind die Franzosen wirklich im Anzug?“
„Ja.“
„Und Juarez ist hinter ihnen her?“
„Oder ihnen entgegen; wie man es nimmt.“
„Euch hat er die Verteidigung anvertraut?“
„Ja. Sein Befehl liegt schriftlich beim Alcalden.“
„Nun gut, so muß man Euch gehorchen.“ Und sich an Pirnero wendend, fragte er diesen: „Ihr wollt also keinen Franzosen totschießen?“
„Nein, nein! Ich bringe dies nicht fertig!“ antwortete der Gefragte.
„Aber den Mut, Gäste hinauszuwerfen, habt Ihr! Na, ich will Euch das nicht nachtragen. Bleibt ruhig auf Eurer Matratze liegen und kaut Lorbeerkränze; ich werde an Eurer Stelle eintreten.“
Da faßte Pirnero seine Hand und rief:
„Señor, ich danke Euch! Wollt Ihr das wirklich tun? An meiner Stelle kämpfen?“
„Ja.“
„O, dann gebe ich Euch die Erlaubnis, so viel zu spucken, wie Ihr wollt!“
„In Eurer Stube hier?“ lachte ‚Geierschnabel‘.
„Ja“, antwortete Pirnero.
„Auch auf das Heiratsbüro in der Dämmerung?“
„Hm! Lieber wäre es mir, wenn Ihr Euch einen anderen Ort suchtet, Señor!“
„Na, ich werde mir Mühe geben, Eure Gemäldegalerie zu schonen; nur dürft Ihr mir nicht mit unnötigen Fragen kommen; das kann ich nicht vertragen.“
Resedilla hatte bisher schweigend zugehört. Ihr war herzlich Angst vor den Franzosen, und so wollte sie die gerade jetzt eingetretene Gesprächspause benutzen, Gerard ihre Unruhe auszusprechen, als sie unterbrochen wurde.
Draußen erscholl nämlich vielfacher Hufschlag, und die niedrigen Fenster wurden fast verdunkelt von Pferden, welche vor denselben halten blieben.
„Was ist das?“ sagte Pirnero erschrocken. „Doch nicht die Franzosen!“
Gerard trat an das Fenster, blickte hinaus und antwortete:
„Nein. Der Kleidung nach sind es Mexikaner.“
„Aber so viele! Resedilla, da gibt es Arbeit!“
Da wurde die Tür geöffnet, und die Gäste traten ein. Es war Sternau mit seinen Begleitern. Die Augen der drei Anwesenden hingen mit Bewunderung an seiner Gestalt. Auf der Insel war ihm der lange, dichte Bart bis weit über die Brust herabgewachsen, und so trug er ihn noch jetzt.
Hinter ihm kam der Graf, der ebenso die Blicke der sechs Augen auf sich zog. Die beiden Damen waren verschleiert. Emma hatte dies so haben wollen, um Resedilla zu überraschen.
Die Eintretenden hatten ein so vornehmes Aussehen, daß sich der Wirt tief verneigte. Gerard zog sich mit ‚Geierschnabel‘ bis in die hinterste Ecke zurück.
„Ihr seid der Wirt?“ fragte Sternau Pirnero.
„Ja, Señor.“
„Habt Ihr Raum genug für uns alle?“
„Ihr wollt hier bei mir wohnen, Señor?“ fragte der Wirt erfreut.
„Ja.“
„Wie lange?“
„Das ist noch unbestimmt.“
„O, Zimmer sind genug vorhanden, Señor, auch ein großes, welches als Salon benutzt werden könnte.“
„Und die Pferde?“
„Sie werden gute Stallung und Pflege haben“, versprach Pirnero. „Wenn ich nur gewiß wäre, daß die Herrschaften wirklich bleiben werden.“
„Warum sollten wir nicht?“
„O, Señor, die Pflicht gebietet es mir, Euch auf eine große Gefahr aufmerksam zu machen, welche Euch hier droht.“
„Welche ist es?“
„Die Franzosen stehen im Begriff, das Fort zu überfallen.“
„Woher wißt Ihr das?“
„Juarez hat uns jenen Señor gesandt, welcher das Fort verteidigen soll, bis die Apachen kommen.“
Sternau sah die beiden Männer an. Über sein Gesicht zuckte ein leises Lächeln. Dann fragte er den Wirt:
„Wie heißt der Señor, welchen Ihr meint?“
„Es ist der ‚Schwarze Gerard‘.“
Da schritt Sternau auf die beiden zu, grüßte leicht und sagte:
„Wenn ich mich nicht irre, sehe ich hier Leute,
Weitere Kostenlose Bücher