46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
den Amerikaner noch immer fest, und seine Fragen überstürzten sich förmlich.
„Wo haben Sie die beiden gesehen, in England?“
„Nein, sondern hier in Amerika.“
„Ah! Wo da?“
„Drunten an der See, in El Refugio.“
„Das wäre ja am Ausfluß des Rio Grande del Norte.“
„Ja.“
„Wann?“
„Noch vor wenigen Tagen.“
„Mein Gott, sie sind hier, hier in Mexiko! Was taten sie in El Refugio?“
„Das ist eigentlich ein Geheimnis; aber wie die Sachen hier stehen, so kann oder vielmehr, so muß ich davon sprechen.“
„Sprechen Sie getrost, Sir! Es wird Ihnen keinen Schaden bringen.“
„Ich wurde dem Lord als Führer empfohlen“, erklärte ‚Geierschnabel‘. „Er ist als englischer Bevollmächtigter in Mexiko erschienen. Er hat große Vorräte von Waffen und Munition gelandet, ohne daß die Franzosen es bemerkt haben. Er bringt auch viel Geld mit sich. Das alles soll den Rio Grande del Norte heraufgeschifft werden – – –“
„Für wen?“ unterbrach ihn Sternau.
„Für Juarez“, antwortete der Amerikaner. „Ich bin vorausgeschickt worden, um dem Präsidenten die Ankunft dieser Sachen zu melden und dabei zu fragen, an welchem Ort er sie abzuholen wünscht.“
„Ah! Und der Lord ist selbst mit dabei?“ fragte Mariano.
„Ja; er leitet alles selbst.“
„Aber seine Tochter?“
„Ist bei ihm.“
„Unmöglich! Eine Dame in den Wildnissen des Rio Grande!“
„Sie verläßt ihren Vater nicht.“
„O, die Traute! Ich muß zu ihnen, bald, bald! Wann werden sie ankommen?“
„Das läßt sich nicht genau sagen. Ich muß erst zu Juarez und dann zurück. Nach dessen Willen wird sich der Lord richten.“
„Ich danke Ihnen für diese Nachricht! Sie haben mir mehr als Millionen geschenkt, und ich werde jede Gelegenheit ergreifen, Ihnen erkenntlich zu sein!“
„Also dieser war es nicht!“ flüsterte Resedilla der Cousine zu. „Welcher denn?“
Da deutete Emma auf Anton Helmers und antwortete:
„Dieser hier. Und der andere ist sein Bruder.“
Da ging Resedilla auf die beiden zu und reichte ihnen die Hände.
„Und dieser Señor?“ fragte sie dann, auf Don Ferdinande deutend.
„O, das mußt du raten!“
„Ich kann es nicht!“
„Ja; ich glaube das selbst; es ist ja unmöglich. Kennst du denn alles, was damals auf der Hacienda del Erina geschehen ist?“
„Alles.“
„Hast du auch gehört, daß Don Ferdinande de Rodriganda gestorben ist?“
„Ja.“
„Nun, hier steht Don Ferdinande. Er lebt.“
Das Erstaunen Resedillas ist gar nicht zu beschreiben. Der alte Graf nickte ihr lächelnd zu und streichelte ihr liebkosend das schöne, volle Haar.
„Ich werde dir das alles noch erzählen“, sagte Emma zu ihr. „Und dieser letzte Herr ist Señor Mendoza, der mit Don Ferdinande gefangen war.“
„Aber es fehlt ja noch einer, liebe Emma!“
„Wer?“
„‚Bärenherz‘. Ist er tot?“
„Nein; er lebt auch; aber er hat sich gestern einstweilen von uns getrennt, um der Fährte der Apachen zu folgen, welche sein Bruder kommandiert.“
Als ob diese Worte geeignet gewesen wären, den Besprochenen herbeizuführen, wurde jetzt die Tür geöffnet, und ‚Bärenherz‘ trat ein. Niemand hatte den Tritt seines Pferdes vernommen. Er begriff die Szene nach einem einzigen Blick und trat auf Sternau zu.
„Was wird mein weißer Bruder tun?“ fragte er. „Wird er am Kampf dieses Landes mit teilnehmen?“
„Ich bin dein Freund“, sagte Sternau. „Dein Feind ist mein Feind.“
„So mag mein weißer Bruder die Waffen ergreifen, denn die Franzosen kommen bald.“
„Hast du ‚Bärenauge‘ gesehen?“
„Nein. Ich habe keinen Sohn der Apachen gesehen.“
„Warum?“
„Ich ging ihren Spuren nach, gestern abend und heute am Morgen, als der Tag zu grauen begann. Da traf ich ihre Fährte mit derjenigen der Franzosen zusammen, welche nach Osten gezogen waren. Die eine Fährte war nur den vierten Teil eines Tages alt und die andere war um eine Stunde jünger. Die Söhne der Apachen sind also hart hinter den Franzosen. Aber der Feind ist nicht gerade auf das Fort zugeritten, sondern hat sich nach den Bergen des Puercos gewendet.“
„Ah, wie klug. Weil eine Kompanie vernichtet wurde, haben sie einen anderen Weg eingeschlagen, um von der entgegengesetzten Seite an das Fort zu kommen. Mein roter Bruder hat dann ihre Spur nicht weiter verfolgt?“
„Nein. Ich mußte schnell nach dem Fort reiten, um zu melden, daß sie kommen.“
„Waren es lauter
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