46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
Sie entsagte. Aber ich sehe, daß sie vergebens mit ihrer Liebe kämpft. Sie wird dem einstigen Garotteur doch noch die Hand reichen und daran innerlich zugrundegehen.“
Sternau bewunderte diesen einstigen Verbrecher, welcher jetzt ein so feines, moralisches Zartgefühl zeigte, doch sagte er nichts dazu.
„Aber sie soll nicht zugrunde gehen!“ fuhr Gerard fort. „Ich bin Jäger; tausend Gefahren umdrohen mein Leben. Wie leicht, wie bald kann ich tot sein; dann ist sie frei. Wollen Sie mir dann eine Gnade erweisen, für welche ich noch jenseits für Sie beten werde, Monsieur Sternau?“
„Sehr gern, wenn ich kann.“
„Wenn Sie hören, daß ich tot bin, so sagen Sie ihr, daß Sie mein letzter Gedanke gewesen ist, und daß ich am Tage des Gerichtes Vergebung zu finden hoffe, weil die Liebe zu ihr, der Reinen, mich auch rein gemacht hat!“
Es wurde Sternau bei dieser Bitte ganz eigentümlich zumute.
„Sie denken an den Tod? Ah pah!“ sagte er. „Übrigens bezweifle ich sehr, daß ich zugegen sein werde, wenn Sie sterben.“
„Ich habe ja auch nur von diesem Fall gesprochen, Monsieur!“
„Dann müßte ich doch wissen, wer diese Dame ist.“
„Sie erraten es nicht?“
„Nein.“
„Resedilla Pirnero ist es.“
„Ah! Ich begreife, daß Sie dieses Mädchen lieben. Und Sie vermuten wirklich, daß Ihre Liebe erwidert wird?“
„Ich vermute es nicht nur, sondern ich bin überzeugt davon.“
„So würde ich an Ihrer Stelle die Liebe walten lassen. Pflanzt Gott die Liebe in das Herz dieses Mädchens, so ist dies ein Zeichen, daß er Ihnen vergeben hat.“
„So habe ich mir auch gesagt; aber ich bin seit einigen Minuten anderer Ansicht geworden.“
„Wieso?“
„Resedilla ist die Freundin von Emma Arbellez, die Bekannte von dem Grafen und anderen hochehrbaren Personen; sie soll nicht zu mir heruntersteigen.“
„Sie haben unrecht. Dieses Zartgefühl täuscht Sie. Fühlen Sie sich jetzt ein wenig eingeschüchtert, so werden Sie dies sehr bald überwinden.“
„Ich bezweifle es. Also, Herr Doktor, wollen Sie mir jene Gnade erweisen?“
„Aber Sie werden ja nicht sterben!“
„Wer weiß dies? Gehen wir nicht jetzt einem Kampf entgegen?“
„Nun gut. Ich will Ihnen das Versprechen geben!“
„Ich danke! Und noch eins. Sollte ich heute fallen, so kommen Sie vielleicht nach Chihuahua. Dort gibt es eine Dame, welche Señorita Emilia genannt wird. Sie werden von ihr hören. Sagen Sie ihr, daß ich gestorben bin. Ich bitte sie vom Jenseits herüber, das Leben ernst zu nehmen.“
„Ist sie eine frühere Geliebte von Ihnen?“
„Nein. Aber sie liebt mich so, wie vielleicht noch kein Weib geliebt hat.“
„Ich werde auch dies ausrichten.“
„So können wir jetzt zurückkehren.“
Sie traten den Rückweg an.
Resedilla hatte unterdessen mit Emmas Hilfe die Zimmer in Bereitschaft gesetzt. Sie stieg eben noch mit einem Wasserbecken die Treppe empor, als die beiden Männer unten eintraten. Sie bemerkten sie nicht; Gerard aber stieg ihr nach, um sie oben zu treffen und zu sprechen.
Der Zwiespalt zwischen seiner Vergangenheit und Gegenwart hatte ihm in letzter Zeit tief in die Seele geschnitten. Er fühlte sich verwundet und hatte keine Hoffnung mehr, von den inneren Kämpfen und Vorwürfen erlöst zu werden. Das sollte heute einen Abschluß finden.
Er bemerkte, daß die Geliebte sich in einem Zimmer ganz allein befand, und folgte ihr dorthin nach. Sie ordnete eben einen Blumenstrauß.
„Ah, Señor, habt Ihr Euch nicht auch gefreut?“ rief sie ihm entgegen.
„Worüber, Señorita?“ fragte er.
„Über das Glück, meine Cousine wiederzuhaben.“
„Ich bin entzückt davon!“
„Und denkt! Eben heute schrieb mir ihr Vater einen Brief, in welchem er mir meldete, daß ich seine Hacienda erben werde. Ich sollte ihn besuchen.“
„In dieser gefährlichen Zeit?“
„Ich hatte auf euren Schutz gerechnet.“
„O, wie gern hätte ich Euch denselben gewidmet, Señorita!“
„Ich weiß das, mein guter Señor Gerard. Ich bin Euch auch recht herzlich gut dafür.“ Sie blickte ihm dabei so offen und freundlich in die Augen. Er fühlte sich zu schwach diesem Blick gegenüber, darum schlug er seine Lider nieder und antwortete:
„Sagt das nicht, Señorita!“
„Warum nicht?“
„Das darf nicht sein. Ihr dürft mir nicht freundlich gesinnt bleiben.“
„So sagt mir den Grund!“
„Den habe ich erst heute so richtig und deutlich empfunden. Als sie vorhin unten standen, die
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