46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
Rodriganda?“
„Ja.“
„Der junge Herr, welchen man Mariano nennt, ist der eigentliche Erbfolger des Grafen de Rodriganda?“
„Wir vermuten es. Woher aber wissen Sie von dieser Vermutung?“
„Davon später. Jetzt will ich Ihnen nur sagen, daß ich in Rheinswalden war.“
„Ah! Das wäre ein sehr sonderbarer Zufall!“
„O, es war leider kein Zufall, Monsieur!“
„Was sonst?“
„Ist es Ihnen bekannt, wovon ich mich in Paris nährte?“
„Ja.“
„Daß ich garottierte?“
„Ja.“
„Ich entschuldige mich nicht, sondern ich verdamme mich selbst, Monsieur. Einst garottierte ich den Grafen Alfonzo – – –“
„Alfonzo de Rodriganda?“ fiel Sternau schnell ein.
„Ja.“
„In, Paris?“
„Ja. Er befand sich unter falschem Namen da. Ich nahm ihm sein Geld und sein Notizbuch. In dem letzteren waren alle seine Streiche notiert.“
„Unmöglich! Das wäre ja die wahnsinnigste Unvorsichtigkeit von ihm!“
„Wissen Sie nicht, Monsieur, daß der klügste Verbrecher stets da am dümmsten handelt, wo man ihn fassen wird?“
„Das ist allerdings wahr!“
„Nun gut. Später geschah es, daß er mich kennenlernte.“
„Ohne zu wissen, daß Sie ihn garottiert hatten?“
„Ja. Er bemerkte, daß ich bereit sei, Geld zu verdienen, und machte mir nun einen Vorschlag, welcher Ihre Frau Gemahlin betrifft.“
„Mein Gott! Jedenfalls eine Niederträchtigkeit!“
„Allerdings, sogar noch mehr als das!“
„Was war es?“
„Ich sollte mit nach Rheinswalden gehen und dort Ihre Frau ermorden!“
Sternau erbleichte.
„Was taten Sie?“ fragte er vor Angst stockend.
„Ich ging auf diesen Vorschlag ein.“
„Um des Himmels willen!“
„Nur scheinbar.“
„Dem Himmel sei Dank!“
„Wäre ich nicht scheinbar auf seine Intentionen eingegangen, so hätte er sich einen anderen engagiert, und Gräfin Rosa wäre verloren gewesen.“
„Das ist wahr. Sie reisten also mit ihm nach Deutschland?“
„Ja, und zwar als sein Diener.“
„Was taten Sie dort?“
„Ich ging zu Ihrer Frau Gemahlin. Ihre Mutter und Ihre Schwestern befanden sich bei ihr. Ich erzählte ihnen alles; ich erzählte ihnen auch, weshalb ich den Mord nicht ausführen wollte, sondern sie im Gegenteil warnte.“
„Weshalb war dies?“
„Weil Sie meine Schwester gerettet haben.“
„Ah, so bringt eine gute Tat stets von selbst ihre Früchte!“
„Von den Damen weg ging ich durch den Wald. Dort traf ich einen Waldhüter.“
„Gewiß Tombi?“
„Ja. Ich gab ihm jene Notizen, welche ich Alfonzo abgenommen hatte.“
„Wie unvorsichtig!“
„Er sollte sie mir übersetzen. Er aber las sie durch und gab sie mir nicht wieder.“
„Warum gaben Sie das zu?“
„Er ist der Sohn von Zarba.“
„Ah! Kennen Sie Zarba, die Zigeunerin?“
„Ja. Sie war meine Gebieterin.“
„Ihre Gebieterin? Inwiefern? Sie setzen mich damit in Erstaunen.“
„Es besteht eine geheime Gesellschaft, deren Zweck ich nicht verraten darf.“
„Es bindet Sie ein Schwur?“
„Ja. Zarba ist das Oberhaupt dieser Gesellschaft, und ihr muß jeder unbedingt gehorchen, sie mag von ihm verlangen was sie will.“
„Selbst ein Verbrechen?“
„Selbst das schwerste Verbrechen. Als Tombi, Zarbas Sohn, mir die Notizen nicht gab, konnte ich nichts machen; ich war ihm gegenüber machtlos.“
„Warum tut Zarba ihren Sohn als Waldhüter nach Rheinswalden?“
„Ich weiß es nicht; aber irgend einen Zweck verfolgte sie damit. Das ist sicher.“
„Hat Tombi diese Notizen noch?“
„Ich vermute, daß er sie Zarba gegeben hat.“
„Gut. Sie wird sie herausgeben müssen. Was geschah weiter?“
„Nachdem ich die Absicht Alfonzos verraten hatte, wurde er polizeilich verfolgt; aber er entkam nach Spanien. Mir ging es in Paris dann nicht gut. Ich bereute mein Leben und ging nach Amerika. Ich wurde Jäger.“
„Ha! Vielleicht zur Sühne?“
„Ja. Ich machte es mir zur Aufgabe, die Savanne von ihren Bösewichten zu befreien. Dadurch wurde ich berühmt. Aber die Reue nagte fort.“
„Gerard, Gott zürnt nicht ewig!“
„Aber die Menschen!“
„Was haben Sie mit den Menschen zu schaffen?“
„O, sehr viel! Ich lernte hier ein Mädchen kennen, einen Engel an Reinheit und Güte. Sie liebte mich wieder, ich aber war ehrlich und gestand ihr, daß ich Garotteur gewesen sei, also ein geschäftsmäßiger Mörder.“
„Ich will hier nicht urteilen; aber war dieses Geständnis notwendig?“
„Ja. Mein Gewissen trieb mich dazu.
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