46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
groß für seine schwachen Kräfte; eine Ohnmacht nahm ihm das Bewußtsein wieder.
„Señor, er stirbt!“ sagte Resedilla voller Angst.
Sternau lächelte ihr gütig zu und antwortete:
„Erschrecken Sie nicht, Señorita. Es ist nur eine Ohnmacht. Sie schadet ihm nicht; sie wird ihn im Gegenteil stärken. Bleiben Sie bei diesem Kranken, so gebe ich die Hoffnung nicht auf, daß er genesen werde.“
SECHSTES KAPITEL
Die Tochter Cortejos
Es war einige Tage später, da erzitterte die Ebene, welche sich nördlich von Santa Katarina ausbreitete, unter dem Hufschlag galoppierender Pferde.
Eine Anzahl von dreihundert Reitern sprengte im Galopp über die freie, von kurzem, dünnem Gras bewachsene Prärie. Sie waren verschieden gekleidet und verschieden bewaffnet, schienen aber eine zusammengehörige Truppe zu bilden.
An der Spitze ritten drei, zwei Ältere und ein Jüngerer. In dem einen der Älteren erkennen wir Pablo Cortejo; der Jüngere war Josefa, seine Tochter, in Männertracht gekleidet und auch nach Männerart im Sattel sitzend. Es schien ihr dies nicht leicht zu werden, wie man aus ihrer unsicheren Haltung ersah. Der Dritte war nicht ganz so alt wie Cortejo, hatte aber ebensoviel Erfahrung wie dieser. Sein Gesicht war nicht nur kein Zutrauen erweckendes, sondern geradezu ein häßliches und abschreckendes. Er war bewaffnet bis an den Hals und hatte ganz das Aussehen eines Mannes, mit welchem nicht ungestraft verkehrt werden kann. Gerade jetzt schien sein Gesicht einen noch finstereren Ausdruck zu besitzen, wie gewöhnlich. Seine stechenden Augen musterten den Horizont und kehrten dann immer wieder mit einem unbefriedigten Blick auf die nächste Umgebung zurück.
Endlich stieß er einen lauten, gotteslästerlichen Fluch aus und fügte dann hinzu:
„Wann hat endlich dieser verdammte Ritt ein Ende, Señor Cortejo?“
„Geduldet Euch nur noch kurze Zeit“, antwortete dieser. „Wir werden sogleich links einbiegen und absitzen können.“
„Wo? Ich sehe doch die Hacienda nicht!“
„Seht da scharf nach links hinüber! Seht Ihr den dunklen Streifen?“
„Ja. Was ist das?“
„Ein Wald.“
„Ein Wald? So meint Ihr, daß wir in einem Wald absitzen sollen?“
„Ja.“
„Warum?“
„Um uns auszuruhen und zugleich einen Kundschafter abzusenden.“
„Ihr seid wohl nicht recht bei Sinnen, ich bin kein Bravo, der sich gern im Wald herumdrückt. Wozu einen Kundschafter, he?“
„Aus Vorsicht. Wir müssen erst sehen, wie es auf der Hacienda steht.“
„Das sehe ich nicht ein. Wozu diese lange Einleitung? Wir sind fast dreihundert Mann und brauchen nichts zu fürchten. Wir reiten einfach vor die Hacienda, dringen ein, töten, was sich uns widersetzt, und sind dann Herren des Ortes. Ich habe Euch meine Leute zugeführt, um in Eurem Dienst gute Beute zu machen, nicht aber, um uns in den Wäldern herumzudrücken.“
„Wer sagt Euch denn, daß Ihr das Letztere tun sollt?“
„Ihr soeben.“
„So habt Ihr mich ganz verkehrt verstanden. Es handelt sich nur um einen kurzen Aufenthalt, nicht aber um ein längeres Bleiben im Wald.“
„Auch dieser kurze Aufenthalt ist unnötig.“
„Meint Ihr? Wie nun, wenn sich Franzosen auf der Hacienda befinden?“
„Alle Teufel, das ist wahr! Die kriechen überall herum. Aber ich denke, die Hacienda del Erina liegt so sehr einsam. Was wollen die Franzosen dort?“
„Ja, sie liegt einsam, aber doch immer auf dem großen Reitweg nach Cohahuila. Da ist es sehr leicht denkbar, daß der Feind sich ihrer bemächtigt hat, um ein Etappenkommando hineinzulegen.“
„Dieses würde wohl nicht sehr stark sein.“
„Das steht allerdings zu erwarten; aber es ist zugleich höchst wahrscheinlich, daß in diesem Fall der Feind die Hacienda befestigt haben wird.“
„Hm, Ihr mögt recht haben. Senden wir also einen Boten ab, welcher Erkundigungen einzieht; aber wir wollen scharf reiten, damit wir rasch den Wald erreichen.“
Der vor ihnen liegende dunkle Streifen trat deutlicher hervor und ließ sich schließlich als ein Forst erkennen, auf welchen die Pferde zuflogen.
Es war derselbe Wald, in dem die früher erzählten Ereignisse geschehen waren. Als er erreicht wurde, drangen die Reiter ein Stück in denselben ein und ließen die Pferde unter Aufsicht weiden. Sie selbst lagerten sich auf dem Boden und zogen Lebensmittel hervor, welche sie bei sich führten.
Die drei, welche vorhin an der Spitze des Zuges geritten waren, saßen beieinander.
„Jetzt sucht einmal
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