46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
seid Ihr wohl gar der ‚Kleine André‘?“
Jetzt war die Reihe zum Erstaunen an dem kleinen Jäger.
„Donnerwetter, woher wißt Ihr, wie ich heiße?“ fragte er überrascht.
„Ihr seid es also wirklich?“
„Ja.“
„So habt Ihr mir also vorhin doch die Unwahrheit gesagt!“
„Was?“
„Als ich meinte, daß Ihr ein Anhänger von Juarez seid.“
„Was fällt Euch ein! Was habe ich mit Juarez zu schaffen?“
„Leugnet es nicht! Ich weiß es ganz genau!“
„Ihr werdet mir wohl zugeben, Señor, daß ich es am allerbesten wissen muß!“
„Und Ihr werdet mir wohl erlauben, anzunehmen, daß Ihr die Wahrheit nur deshalb nicht eingesteht, weil Ihr glaubt, es könnte Euch schaden.“
„Nun, ist dieser Grund nicht ein sehr ernster und stichhaltiger?“
„Unter gewöhnlichen Umständen, ja, hier bei mir aber nicht. Ich bin ein begeisterter Anhänger meines Vaterlandes und seines Präsidenten Juarez.“
„Das kann ein jeder sagen!“
„Jawohl! Aber Ihr müßt dies bereits aus der Art und Weise sehen, wie ich vorhin den Franzosen behandelt habe, trotzdem derselbe mir gefährlich werden kann. Aber ich will Euch noch einen besseren Bescheid geben. Habt Ihr einmal von einer Señorita Emilia gehört?“
„Señorita Emilia? Es gibt jedenfalls viele Damen dieses Namens.“
„Aber nur eine einzige mit solchen Eigenschaften!“
„Bezeichnet sie näher!“
„Das ist schnell geschehen. Sie ist eine Freundin des ‚Schwarzen Gerard‘.“
Da machte André eine Bewegung der Überraschung. Er hatte auf Fort Guadeloupe von den Erlebnissen des schwarzen Jägers gehört, er war dann mit diesem bei Juarez zusammengewesen, und hatte, ehe er als Botschafter fortging, von ihm einen ausführlichen Bericht erhalten. Dabei war auch Señorita Emilia erwähnt worden, und Juarez hatte ihm geraten, sie zu fragen und sich an sie zu wenden, falls er einer Unterstützung bedürfe.
„Was ist mit dieser Emilia?“ fragte er.
„Sagt erst, ob Ihr sie kennt!“
„Ich habe von ihr gehört.“
„Sie aber noch nicht gesehen?“
„Nein.“
„Nun gut, Ihr werdet sie sogleich zu sehen bekommen, Señor André.“
„Ah, wo?“
„In ihrer Wohnung. Sie ließ mich vorhin rufen. Sie hatte Euch kommen sehen und gab mir den Auftrag, Euch zu fragen, ob Ihr vielleicht der ‚Kleine André‘ seid. In diesem Fall hat sie mit Euch zu sprechen. Ihr sollt zu ihr kommen.“
„Wohnt diese Dame vielleicht gegenüber in dem großen Haus?“
„Ja.“
„Sie stand auf dem Balkon, als ich ankam. Aber woher kennt sie mich?“
„Ich weiß es nicht. Tut mir den Gefallen und geht sogleich hinüber zu ihr.“
„Wie habe ich zu gehen?“
„Ihr werdet im Flur den Hausmeister finden, der Euch unterrichten wird.“
„Ist diese Dame fein?“
„Sehr.“
„Donnerwetter! Und ich in meiner alten Trapperkleidung hier!“
„Das tut nichts, Señor. Wenn Ihr ein Freund von Juarez seid, so werdet Ihr geehrt, selbst wenn Ihr in die schlechtesten Lumpen gekleidet seid.“
„Nun, so will ich gehen.“
„Wollt Ihr nicht Eure Büchse und anderen Waffen hierlassen?“
„Fällt mir nicht ein. Ein Westmann trennt sich von seinen Waffen nie, gerade wie ein Chirurg von seiner Klistierspritze.“
Er warf das Gewehr über die Achsel und ging.
Drüben traf er allerdings den Hausmeister, welcher ihn nach oben wies. Dort wurde er von der Zofe empfangen, welche ihn in dasselbe Zimmer brachte, in welchem vorher der Wirt gewesen war. Als er Emilia erblickte, blieb er ganz erstaunt stehen. Die Schönheit macht selbst auf den rohesten Menschen einen nicht abzusprechenden Eindruck. Der gute André war ein einfacher Naturmensch. Der Eindruck Emilias war ein desto tieferer und größerer. Als sie sich erhob und nun in der ganzen Fülle ihrer Herrlichkeit vor ihm stand, rief er, sich ganz vergessend:
„Kreuzbataillon, Señorita, Ihr seid wahrhaftig ganz verteufelt schön!“
„So? Wirklich?“ fragte sie lächelnd.
Der Ausspruch dieses einfachen Menschen war ihr ein größeres Kompliment als die geschnörkeltste Höflichkeit eines faden Salonhelden.
„Ja“, antwortete er. „So schön habe ich bei Gott noch kein Mädchen gesehen.“
„Das gilt mir mehr, als wenn es mir ein Graf oder General sagte. Nicht wahr, der Wirt von da drüben schickt Euch zu mir?“
„Ja.“
„So seid Ihr der ‚Kleine André‘?“
„Der bin ich. Aber Señorita, woher kennt Ihr mich?“
„Das sollt Ihr sogleich hören. Habt nur zuvor die Güte, Euch
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