46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
zu verlangen. Wie kann er sonst auf die Beine kommen.“
„Ihr habt da ein ganz treffliches Beispiel gewählt, Señor. Mexiko ist jetzt dieser arme Teufel, dem man, unter dem Vorwand, ihm zu helfen, den letzten Groschen aus der Tasche nimmt. Er will sich das nicht gefallen lassen, er wehrt sich dagegen.“
„Ganz natürlich. Das würde jeder vernünftige Mensch ebenso tun.“
„Was aber ist die Folge? Man steckt ihn ein, man haut ihn, man mordet ihn.“
„Hört, Señor, ich möchte nicht mit Euch tauschen.“
„Nicht wahr! Denkt an die Tausende, welche gefallen sind, denkt an die mutigen Männer, welche man in die Kerker steckt. Erst vor einigen Tagen hat der hiesige Kommandant wieder gegen vierzig Familienväter hinter Schloß und Riegel gebracht.“
„Weshalb?“
„Oh, nur deshalb, weil sie zu einem unschuldigen Privatverein gehören, von dem ein Mitglied leider unvorsichtigerweise öffentlich gesagt hat, daß wir eigentlich ganz gut imstande seien, uns selbst zu regieren, und daß es besser sei, für sich selbst zu arbeiten als für andere.“
„Was wird man mit diesen Leuten tun?“
„Ich weiß es nicht, aber man ist sehr gespannt darauf. Man glaubt hier, daß es nicht länger so fortgehen könne. Man hofft ganz bestimmt auf – auf –“
Er hielt vorsichtig inne.
„Nun, worauf oder auf wen hofft man denn?“ fragte der ‚Kleine André‘.
„Auf Juarez!“
Diese Antwort gab der Wirt mit vor den Mund gehaltenen Händen und so leise, daß der Jäger sie kaum verstehen konnte.
„Auf Juarez?“ fragte der letztere, sich unwissend stellend. „Warum auf ihn?“
„Er ist ja unser rechtmäßiger Präsident. Wir haben ihn gewählt und uns unter seiner Regierung ganz wohl befunden.“
„Er ist aber ja ausgerissen.“
„Er mußte, wenn er nicht das ganze Land mit Blut überschwemmen wollte.“
„Ah, deshalb. Aber wird es weniger Blut kosten, wenn er zurückkehrt?“
„Gewiß. Die Usurpatoren kennen das Land nicht. Das Land wird viel schneller wieder unser sein, als es in ihren Besitz gelangt ist. Als sie kamen, standen wir ohne Heer, ohne alle Hilfe da. Jetzt ist das anders. Jetzt helfen uns die Vereinigten Staaten, jetzt ertönen auch aus anderen Ländern Stimmen, welche dieser Napoleon zu respektieren hat. Juarez hat uns schonen wollen, er wartet die Zeit ab. Und bricht er einmal hervor, so ist es sicher, daß diese Zeit gekommen ist.“
„Wo befindet er sich denn?“
„In Paso del Norte, wie man sagt.“
„Sagt man nicht, daß er das Land ganz und gar verlassen hat?“
„Man sagt es, aber wir glauben nicht daran. Er verläßt uns auf keinen Fall. Ist er fort aus Paso del Norte, so befindet er sich irgendwo, wo seine Anwesenheit zu unserem Heil notwendig ist. Kürzlich ist eine Kompagnie Soldaten aufgerieben worden. Ich glaube, daß da Juarez seine Hand im Spiel gehabt hat. Daß sein Vertrauter dabei gewesen ist, wissen wir genau.“
„Wer ist dieser Vertraute?“
„Ein Jäger, auf dessen Kopf ein Preis von fünftausend Franken gesetzt worden ist.“
„Ah, der ‚Schwarze Gerard‘.“
„Ihr kennt ihn?“ fragte der Wirt erstaunt.
„Ja.“
„Genau? Habt Ihr mit ihm gesprochen? Habt Ihr ihn getroffen?“
„Ja.“
„Um Gottes willen, laßt das hier nicht wissen. Ihr wäret ohne Rettung verloren.“
„Pah, kann ein Jäger dafür, daß er hier oder da einen anderen Jäger trifft?“
„Man würde glauben, daß Ihr in Einvernehmen mit ihm seid.“
„Man müßte mir dies beweisen.“
„Man würde fragen, was Ihr hier in Chihuahua zu tun habt.“
„Munition und Kleidung will ich mir kaufen. Auch ein Jäger braucht Patronen und einen Rock oder eine Hose. Seht mich an. Brauche ich das etwa nicht?“
„Ja, gar zu gut seht Ihr allerdings nicht aus. Übrigens sind wir für einige Zeit von der größten Zahl der Franzosen befreit.“
„Wieso?“
„Es sind einige hundert Mann ausgerückt.“
„Wohin?“
„Man weiß es nicht genau. Es geschah in aller Stille, aber man vermutet doch.“
„Wieviel sind noch hier?“
„Eine Kompanie.“
„Alle Teufel! Das sollte Juarez wissen!“ rief der kleine Jäger erfreut.
„Leise, leise, Señor! Wüßte ich, wo er sich befindet, ich liefe selbst hin, um es ihm zu sagen. Und so wie ich, gibt es hunderte von Männern hier.“
„Nun, vielleicht erfährt er es auch ohne Euch.“
Diese Worte waren so nachdenklich gesprochen, daß der Wirt aufmerksam wurde. Er ergriff die Hand des Jägers, bog sich zu ihm
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