46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
Mann.
„Ah, er ist bewaffnet. Nehmt ihm die Waffen ab und bindet ihn!“
Einer der Soldaten nahm Gerards Gürtel ab und schnallte dem Gefangenen damit beide Arme an den Leib, glaubend, daß diese Maßregel genüge.
Aber ein erfahrener Präriejäger weiß jeden Umstand zu benutzen. Als man ihm den Gürtel um den Leib und die Arme legte, preßte er dieselben nicht etwa fest an, sondern er hielt sie möglichst weit ab, so daß die Fessel dann nicht ganz schloß. Zunächst hatte man, um seiner Hände sicher zu sein, den Gürtel nicht um die Brust und die Oberarme, sondern um die Unterarme gelegt, so daß es Gerard leichter wurde, die Arme zu bewegen. Bereits als er von der Erde aufstehen mußte, fühlte er, daß es ihm vielleicht mit einem angestrengten Ruck gelingen würde, den rechten Arm aus dem Gürtel zu reißen, und dann ging der linke ja von selbst heraus.
„Wer bist du?“ fragte der Anführer, ihn verhörend.
„Ein Vaquero“, antwortete er.
„Du siehst nicht so aus. Woher?“
„Von Chiricote.“
Chiricote liegt nur wenige Stunden von Chihuahua entfernt.
„Was wolltest du in der Stadt?“
„Mein Mädchen besuchen.“
„Warum kamst du nicht auf dem richtigen Weg?“
„Bist du nicht auch verstohlen zu deinem Mädchen gegangen?“
„Kerl, nenne mich nicht du, sonst bekommst du meinen Kolben zu kosten!“
„Ich nenne einen jeden ganz so, wie er mich nennt.“
„Aber ich bin Soldat des Kaisers! Übrigens sprichst du ein verteufelt gutes Pariser Französisch. Wie kommt das?“
„Sehr einfach, weil ich ein Pariser bin.“
„Und Vaquero in Chiricote? Das kommt mir verdächtig vor. Der Herr Kommandant mag sehen, was er aus dir machen kann. Vorwärts!“
„Ja, zum Kommandanten, denn ich glaube selbst, daß du nichts aus mir machen kannst!“ antwortete Gerard.
„Hund!“
Er holte mit dem Kolben aus; da aber trat Gerard einen Schritt auf ihn zu und rief:
„Wage es, zu schlagen oder zu stoßen, so soll dich der Teufel holen!“
„Ah, Mann, du scheinst mir kein gewöhnlicher Vaquero zu sein!“
„Möglich!“
„Gut, wir bringen dich zur Wache, da soll es sich zeigen. Vorwärts!“
Der Marsch begann. Es war dunkel, und wenn es Gerard gelang, einen Arm frei zu bekommen, so war es möglich, zu entspringen, aber er hätte seine Waffen zurücklassen müssen, und diese waren ihm ans Herz gewachsen. Seine alte Doppelbüchse hatte ihn lange Jahre begleitet; sie hatte ihn ernährt und beschützt. Sollte er sie aufgeben? Nein. Der Präriemann hält auf seine Büchse ebensoviel wie auf sich selbst. Gerard ließ sich fortführen, ohne einen Fluchtversuch zu machen. Er hoffte, daß sich schon irgend ein Ausweg finden lassen werde.
Man erreichte die Stadt. Das Hauptquartier war in dem Haus aufgeschlagen, welches wir in Deutschland Rathaus nennen würden, und dort wohnte auch der Kommandant. Er hatte die erste Etage inne, deren Fenster hell erleuchtet waren, denn es wurde dort die Tertulia abgehalten, an welcher auch Emilia hatte teilnehmen wollen.
Gerard wurde zunächst in das Wachtlokal geführt, welches im Parterre lag. Dort saßen mehrere Unteroffiziere bei der Flasche und bei ihnen eine französische Marketenderin.
Wäre Gerard nicht von der Mannschaft zur Tür hereingestoßen worden, so wäre er auf der Schwelle stehen geblieben, und zwar vor Erstaunen, denn diese Marketenderin war keine andere als Mignon, seine einstige Geliebte.
Also so weit war es mit ihr gekommen! Sie hatte ihn verraten und betrogen; sie hatte ihn um sein Geld gebracht und sich an einen Vornehmen gehängt; jetzt nun war sie mit nach Mexiko gegangen, als Soldatenliebchen, das ein jeder besitzen kann!
„Habt ihr ihn?“ fragte der Korporal der Wache.
„Ja, hier“, antwortete der Sergeant.
„Wer ist er?“
„Ein Vaquero aus Chiricote, wie er sagt: mir aber scheint, daß etwas ganz anderes in dieser Bluse steckt.“
Da stand die Marketenderin von dem Schoß dessen, bei dem sie saß, auf, faßte den Gefangenen noch einmal scharf in die Augen und rief: „Ein Vaquero? Ein Vaquero? Laßt Euch nicht betrügen! Das ist Gerard, der Schmied aus Paris.“
„Gerard? Der Schmied? Aus Paris?“ fragte es rundum.
„Ja, er war Garotteur“, antwortete sie.
„Garotteur?“ sagte der Sergeant. „Alle Teufel, das soll ihm gefährlich werden. Daß er ein Pariser ist, hat er eingestanden. Wie steht es, he? Ist es wahr, was diese Mademoiselle sagt?“
Diese letztere Frage war an Gerard gerichtet. Er hatte, seit er das
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