46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
wäre“, sagte er zu sich. „Es wird wohl irgend ein Tier gewesen sein.“
Er schritt leise auf und ab, und nach einiger Zeit kam ihm die Lust, eine Zigarette zu rauchen. Die Franzosen befanden sich im Land der Zigaretten; sie selbst sind große Liebhaber des Genusses, und gaben sich demselben ohne Ausnahme hin. Selbst wenn ein Posten einmal rauchte, wurde gern ein Auge zugedrückt.
Der Mann zog also eine Zigarette und Feuerzeug hervor. Beim Schein des Hölzchens war es ihm, als ob in dem zu einem Graben aufgeworfenen Land einige tiefe Fußspuren seien. Er bückte sich und leuchtete hinein.
„Ah, richtig!“ murmelte er. „Diese Spuren sind noch ganz frisch. Der Kerl ist hier vorübergegangen. Wer mag es gewesen sein?“
Er brannte nacheinander mehrere Zündhölzer an und sah nun ganz deutlich die Richtung, welche der Mann genommen hatte.
„Dieser Kerl hat sich zwischen uns hindurch und in die Stadt geschlichen“, brummte er. „Er hat also etwas Gefährliches vorgehabt, und ich muß diese Geschichte sogleich melden.“
Er rief den nächsten Posten an und teilte ihm mit, was er bemerkt hatte. Diese Meldung ging von Mann zu Mann bis zu dem Offizier, der sie sofort dem Kommandanten übermittelte. Dieser nahm die Sache ernst. Er kommandierte hier auf dem äußersten Posten der französischen Machtentfaltung, und begab sich daher sofort unter gehöriger Bedeckung an Ort und Stelle um seine Maßregeln zu treffen.
„Erzähle!“ gebot er dem Soldaten.
„Ich hörte ein Geräusch – – –“, begann dieser.
„Und riefst nicht an?“ unterbrach ihn der Kommandant.
„Es war nur so leise wie von einer Maus; ich konnte nicht denken, daß es von einem Menschen hergerührt habe“, entschuldigte sich der Mann.
„Und dann?“
„Dann kam mir doch der Gedanke, einmal nachzusehen. Der Boden ist hier weich. War es ein Mensch gewesen, so hatte er sicherlich Spuren hinterlassen. Ich zündete ein Hölzchen an und fand die Fährte.“
„Gut! Deine anfängliche Nachlässigkeit soll dir verziehen sein, weil du sie wieder gutgemacht hast. Brennt die Laterne an!“
Dies geschah, und nun konnte man die ganze Fährte bis dahin verfolgen, wo sie auf festem Boden verlief.
„Der Kerl ist in die Stadt, aber noch nicht wieder heraus“, sagte der Kommandant. „Wo es ihm gelungen ist, hineinzukommen, wird er auch wieder herauszukommen versuchen. Ihr bleibt alle hier. Sobald er kommt, ergreift ihr ihn, ohne ihn vorher anzurufen. Aber legt euch auf die Erde nieder. Die Leute dieser Gegend sind erfahrene Kerls. Wenn er kommt und ihr steht, könnte er euch sehen. Ich werde unterdessen den übrigen Außenposten die größte Vorsicht anbefehlen.“
Er ging. Es waren fünfzehn Mann, die er zurückgelassen hatte, alle bewaffnet, also mehr als genug, um einen einzigen zu ergreifen, der noch dazu ahnungslos in die Falle ging.
Die Soldaten lagen lautlos an der Erde und warteten. Stunde um Stunde verging. Schon glaubten sie, daß der, den sie erwarteten, die Stadt gar nicht verlassen werde oder sie bereits an einer anderen Stelle verlassen habe; da ließ sich ein leichtes Geräusch hören, als ob Erdbrocken von einer Stiefelsohle geschleudert würden.
„Er kommt. Aufgepaßt!“ flüsterte der Anführer.
Im nächsten Augenblick sahen sie eine Gestalt, welche leise und vorsichtig vorüber wollte; in demselben Moment aber lag diese Gestalt auch bereits an der Erde und dreißig Fäuste waren bemüht, sie festzuhalten.
„Donnerwetter“, sagte der Mann in französischer Sprache, „was wollt ihr denn von mir?“
„Dich selbst!“ antwortete der Anführer.
„Ah, seht zu, ob ihr mich bekommt!“
Er machte eine gewaltige Anstrengung, loszukommen, aber es gelang nicht; es waren zu viele, die auf ihm lagen.
Gerard, denn dieser war es natürlich, sah ein, daß er sich fügen müsse. Die Waffen wollte er nicht gebrauchen, da dies seine spätere Lage nur verschlimmern konnte. Ging er freiwillig mit, so war noch alles zu hoffen. Übrigens war es dunkel; er konnte seine Gegner nicht zählen, und es schien ihm die Anzahl derselben weit höher als sie eigentlich war; darum sagte er:
„So laßt doch ab, ihr Leute! Ich will ja gar nicht fliehen. Ich habe ja gar keine Veranlassung, mich vor euch zu verbergen!“
„Oho“, sagte der Anführer. „Soeben sagtest du noch, wir sollten zusehen, ob wir dich bekommen würden. Brennt die Laternen an und leuchtet her!“
Es wurde Licht gemacht, und nun besahen die Franzosen sich den
Weitere Kostenlose Bücher