46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
französische Leichtfertigkeit!“ murmelte er. „Und das will es mit uns und den Apachen aufnehmen. Bessere Feinde können wir uns gar nicht wünschen!“
Er ritt einen weiten Bogen, um nicht bemerkt zu werden, und als der Feuerschein weit hinter ihm lag, bog er wieder nach Osten ein, so daß er ungefähr um Mitternacht die Mündung des Conchas in den Rio Grande erreichte. Er setzte über und befand sich nun auf dem Gebiet der Mescaleros-Apachen.
Da setzte er sich in das Gras, um sein Pferd ein wenig ruhen zu lassen.
Dabei dachte er an sein letztes Abenteuer und an sein Zusammensein mit Emilia. Er konnte nicht umhin, dieses Mädchen mit Resedilla zu vergleichen.
„Welche von beiden ist wohl schöner?“ fragte er sich. „Ah, beide sind gleich schön; aber Emilia ist die Schönheit im offenen Kleid des Lasters und Resedilla die Schönheit im züchtigen Gewand der Tugend; ihr gebührt der Vorzug. Dieses Raffinement der Kleidung bei Emilia kann selbst einen ernsten Mann berücken, während ich Resedilla nur für ein hübsches, nicht aber für ein schönes Mädchen gehalten hätte, wenn ich nicht an jenem Abend bei ihr gewesen wäre. Das war am Montag. Am fünften Tag darauf sollten die Franzosen eintreffen, also Sonnabend. Morgen, Freitag abend, werde ich Fort Guadeloupe erreichen. Es bleibt mir demnach eine volle Nacht, um mich nach diesem fürchterlichen Ritt auszuruhen. Wo werde ich das tun? Ah, wo anders als bei Vater Pirnero. Da erhält man ein Bett, und das ist doch etwas anderes als der harte Waldboden, nachdem man volle vier Tage und vier Nächte auf ungesattelten Pferden gesessen hat.“
ZWEITES KAPITEL
Vergiftete Dolche
Am Spätnachmittag des Freitags saß der alte Pirnero an seinem Fenster und blickte hinaus auf die Gasse. Ein dichter, strömender Regen geht herab, Grund genug, einen Menschen in üble Laune zu versetzen. Und diese hatte der Händler und Schankwirt in hohem Grade; um ihr freien Lauf zu lassen, lauerte er nur auf seine Tochter, welche hinausgegangen war, um ihm einen Krug Maisbier, welches er selbst braute, zu holen.
Da kam sie herein, setzte ihm den Krug hin und begab sich dann an ihren gewohnten Platz, wo sie sich mit irgendeiner Nadelarbeit zu beschäftigen pflegte.
Der Alte tat einen tüchtigen Zug, setzte den Krug fort und sagte:
„Miserabler Regen!“
Wie gewöhnlich antwortete die Tochter nicht. Darum fuhr er bald fort: „Gerade wie zum Ertrinken. Nicht wahr?“
Als auch jetzt keine Antwort erfolgte, wandte er sich zu ihr und fragte zornig: „Wie? Sagtest du etwas? Habe ich etwa nicht recht?“
„O ja“, antwortete sie kurz.
„Gerade wie zum Ertrinken! Nicht wahr?“
„Ja.“
„Wenn ich nun draußen wäre und ertrinken müßte, da würdest du dir wohl nicht viel daraus machen, he?“
„Aber Vater!“ rief sie.
„Was denn? Ist so etwas etwa nicht möglich? Ich setze also den Fall, daß ich ertrinke, dann sitzest du da. Was fängst du an, he? Etwa die Wirtschaft fortführen? Ohne Mann? Das kann unmöglich gehen!“
Der Gedankengang des Vaters war ein zu komischer; sie mußte lachen und sagte: „Du wirst doch nicht hinausgehen und ertrinken, extra nur um mir zu zeigen, daß ich einen Mann brauche?“
Draußen ließ sich der Hufschlag eines Pferdes vernehmen; ein Reiter kam durch den Regen herangesprengt und hielt vor der Tür.
„Ah!“ sagte der Alte. „Der Zerlumpte, der Spion. Heute gehe ich seinetwegen nicht hinaus, und wenn er mir zehnmal meine Diplomatie anmerkt. Bei solchem Wetter bleibt man in der Stube.“
Der Neuangekommene war wirklich Gerard. Resedilla war errötet, sobald sie seiner ansichtig geworden war. Er schaffte, da es regnete, das Pferd erst in den Stall und trat dann herein. Der alte Pirnero erwiderte kaum seinen Gruß, aber die Tochter nickte ihm freundlich zu! Er bestellte sich ein Glas Julep, welches Resedilla ihm holte, und setzte sich nieder.
Längere Zeit blieb es still in der Stube. Der Alte trommelte an der Fensterscheibe. Der Gast war ihm unangenehm, weil er ihn für einen Spion hielt. Endlich trieb ihn die Lust zum Sprechen doch zu einem Anfang.
„Fürchterlicher Regen!“ sagte er.
„Allerdings“, antwortete Gerard.
„Ganz zum Ertrinken!“
„So ganz schlimm doch nicht!“
„Was, nicht zum Ertrinken? Ihr seid anderer Meinung als ich?“ Er wendete sich, um den Gast zornig anzusehen, denn er dachte heute schon nicht mehr an das diplomatische Lächeln. So sah er, daß das Wasser aus den durchnäßten Kleidern
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