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46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra

46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra

Titel: 46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Dachsparren festzumachen und einem bei schlechter Laune als Blitzableiter zu dienen? Wenn du nicht bald einen Mann nimmst, so hole ich dir selbst einen, den du nehmen mußt, du magst wollen oder nicht. Und weißt du, wer dies sein wird?“
    „Nun wer?“ fragte sie neugierig.
    „Rate einmal!“
    „Wer kann da raten! Sage es lieber gleich.“
    „Nun, wer anders als der ‚Schwarze Gerard‘!“
    „Der – ‚Schwarze – Gerard‘?“ fragte sie langsam und mit eigentümlicher Betonung.
    „Ja, der! Oder ist der dir etwa nicht recht?“
    „Weiß ich es? Er ist ja noch gar nicht hier gewesen.“
    „Das tut nichts. Er ist ein tüchtiger Kerl, gerade wie mein Schwiegersohn sein soll.“
    „Aber wenn er dir nun nicht gefällt?“
    „Der? O, der gefällt mir sicher. Denke nur an seine echte goldene Büchse!“
    „Das ist Nebensache. Wenn er nun so aussieht, wie – wie –“
    „Nun wie –?“
    „Wie zum Beispiel der Jäger, den ich soeben schlafen geführt habe?“
    „Mädchen, mache mir keinen dummen Witz. Der ‚Schwarze Gerard‘ sieht anders aus. Hast du schon einen berühmten Krieger, einen Helden gesehen?“
    „Vielleicht.“
    „Vielleicht? Pah, noch keinen. Oder hast du etwa den ‚Fürsten des Felsens‘, diesen Sternau, den ‚Bärenherz‘, ‚Büffelstirn‘ gesehen? Nein. So ein Held ist groß und stark, hat Schwarze Augen, einen Schnurrbart, goldene Sporen, silberne Tressen an den Hosen und eine Stimme wie zehn Posaunen. Gehe mir also mit dem Jäger da oben. Wann hat er etwas geschossen? Was kann er trinken und bezahlen? Jetzt liegt er auf dem Heu und schläft, am hellen lichten Tag. O nein, der ‚Schwarze Gerard‘ sieht sicherlich ganz anders aus. Ich stelle mir ihn – ah, – da kommt wieder jemand.“
    Es kam in diesem Augenblick ein Reiter vorüber, welcher an der Haustür hielt, um abzusteigen. Der Wirt beobachtete ihn, ohne sich von seinem Sitz zu erheben. Er zog die Brauen zusammen und sagte zu seiner Tochter: „Weißt du, was Psychologie ist?“
    „Ja.“
    „Was denn?“
    „Die Lehre von der Seele.“
    „Gut. Ich bin ein Psychologe, ein Menschenkenner. Sieh einmal dieses Pferd an. Wie findest du es?“
    „Außerordentlich mager.“
    „Und den Reiter?“
    „Noch magerer und sehr klein.“
    „Und seine Kleidung?“
    „Ganz und gar zerfetzt.“
    „Und seine Waffen?“
    „Alt und nicht blank geputzt.“
    „Nun sieh, das ist für einen Psychologen genug. Dieser Kerl hat ein mageres Pferd; er ist geizig, hat zerrissene Kleider, ist also liederlich; er hat schlechte Waffen und ist ein Habenichts. Er wird wohl auch nur einen Julep trinken wie der Siebenschläfer. An solchen Gästen liegt mir nichts.“
    „Er zieht sein Pferd in den Stall. Er wird also hier bleiben wollen.“
    „Das mag er sich vergehen lassen. Ich werde vor allen Dingen sehen, ob er bezahlen kann. Wir Leute aus Pirna sind schlau; das soll er gleich sehen.“
    Nach einigen Minuten trat der Fremde ein. Er hatte allerdings ein so ganz und gar unscheinbares Aussehen, daß einer, der die Verhältnisse der Savanne nicht kannte, schon ein wenig mißtrauisch werden konnte. Er grüßte sehr höflich im gebrochenen Spanisch, setzte sich auf einen Stuhl, legte die Büchse und das Messer ab und fragte:
    „Nicht wahr, dieser Ort hier ist Fort Guadeloupe?“
    „Ja“, antwortete der Wirt sehr kurz.
    „Seid Ihr vielleicht Señor Pirnero?“
    „Ja.“
    „Kann man einen Julep bekommen?“
    „Ja.“
    „So gebt mir einen.“
    „Gut, aber nur einen.“
    „Warum nicht mehr?“ fragte der Gast erstaunt.
    „Das ist meine Sache.“
    Bei diesen Worten warf der Wirt einen sehr sprechenden, deutlichen Blick auf das Äußere des Gastes und erhob sich langsam, um den Schnaps einzuschenken. Der Fremde bemerkte diesen Blick gar wohl; er unterdrückte ein Lächeln, zuckte die Achseln, sagte aber nichts, sondern tat schweigend einen tüchtigen Schluck, als er das Glas empfangen hatte.
    Pirnero setzte sich wieder an das Fenster und blickte hinaus. Da der Gast schwieg und auch die Tochter kein Wort sagte, so wurde ihm diese Stille doch endlich unbehaglich; darum brummte er nach einer Weile vor sich hin:
    „Armseliges Wetter!“
    Kein Mensch antwortete.
    „Kaum auszuhalten!“
    Als auch jetzt noch niemand antwortete, drehte er sich um, blickte den Gast herausfordernd an, als ob dieser einen Fehler begangen habe, und sagte: „Nun?“
    „Was?“ fragte der Fremde.
    „Armseliges Wetter!“
    „O, ganz hübsch!“ lachte

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