46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
wollen mir nicht angehören?“ fragte soeben der Hauptmann.
„Nie.“
„Weil Sie mich nicht lieben?“
„Ja.“
„Ah, das ist aufrichtig! Ihr Herz gehört einem andern?“
„Ja.“
„Merken Sie denn nicht, daß Ihr Widerstand eine Lächerlichkeit ist?“
„Ich habe keine Ahnung von dieser Lächerlichkeit.“
„Nun, ich brauche Sie ja nur zu zwingen!“
„Wie wollten Sie dies anfangen?“
„Sehr einfach, ich umarme Sie.“
„So werde ich um Hilfe rufen.“
„Pah!“ lachte der Hauptmann. „Wer soll Ihnen helfen? Etwa meine Soldaten? Diese würden Sie nur auslachen.“
„So weiß ich eine andere und bessere, eine sehr gründliche Hilfe.“
„Welche?“
„Fühlen Sie, Señor!“
Es entstand eine kurze Pause, nach welcher der Hauptmann erschrocken ausrief:
„Alle Wetter, was war das? Das war ja Stahl, ein Dolch! Geben Sie her!“
„Um Gottes willen, Señor, greifen Sie nicht zu! Die Spitze ist vergiftet!“
In demselben Augenblick stand auch schon der Oberleutnant am Eingang und bestätigte:
„Ja, vergiftet mit dem fürchterlichen Curare. Um aller Heiligen willen, befehlen Sie, daß dieses Mädchen sich entferne!“
Der Hauptmann war aufgesprungen, erst vor Schreck und dann vor Überraschung, daß der Premierleutnant so plötzlich vor ihm stand.
„Donnerwetter, Sie haben uns belauscht?“ fragte er zornig.
„Ich habe nur die letzten Worte gehört. Ich kam, Sie zu warnen.“
„Wovor?“
„Vor dem Curaredolch.“
„Es ist also wirklich wahr?“
„Vollständig.“
„Woher wissen Sie dies so genau?“
„Die andere hat einen ebensolchen Dolch. Sie drohte mir mit demselben.“
„Ah, gerade wie diese hier!“
„Darum habe ich sie augenblicklich fortgeschickt. Ich rate Ihnen, dasselbe zu tun.“
„Hm, doch nicht! Ich werde ihr die Waffe nehmen.“
„Versuchen Sie es!“ sagte das Mädchen kaltblütig.
„Um Gottes willen, unterlassen Sie das, Kapitän!“ warnte der Leutnant erschrocken. „Der kleinste Hautritz wirkt augenblicklich tödlich.“
„Wetter! So muß ich Ihrem Rat folgen. Señorita, gehen Sie!“
„Ich gehe“, sagte das Mädchen. „Und ich hoffe, nicht wieder in die Lage zu kommen, mit meiner Waffe drohen zu müssen. Eine Mexikanerin ist kein Pariser Mansardenmädchen. Merken Sie sich das, Señores! Gute Nacht!“
Sie ging. Der Kapitän blickte ihr wortlos nach, bis sie in ihrem Zelt verschwunden war; dann wendete er sich an den Leutnant mit der Frage:
„Das war jedenfalls nur ein Theatercoup?“
„Gott bewahre! Die Dolche sind wirklich vergiftet.“
„Unmöglich! Solche Mädchen und solche Waffen!“
„Ja, sie sind achtzehn und siebzehn Jahre alt; Sie haben die Jüngere; aber die Mexikanerinnen sind eine höchst gefährliche Sorte!“
„Das war ein ganz verteufeltes Intermezzo. Ich glaubte, dem Sieg schon nahe zu sein!“
„Hol's der Teufel! Auch ich koche vor Grimm. Die meine ist in diesen Doktor Berthold bis über die Ohren verliebt.“
„Hat sie es Ihnen gestanden?“
„Versteht sich! Frank und frei!“
„Und die meinige in Doktor Willmann.“
„Sie gestand es Ihnen auch?“
„Natürlich! Es ist zum zerplatzen! Was tut man da? Ich bin, glaube ich, in diese Hexe nun erst recht verliebt!“
„Geradeso geht's mir ja auch! Wenn nur diese vermaledeiten Dolche nicht wären.“
„Hm, man könnte sie ihnen abnehmen.“
„Mit Gewalt nicht. Diese Pepi hat mich schüchtern gemacht. Man müßte sie höchstens überraschen. Und da weiß man nicht, ob man den Zweck erreicht.“
„So wendet man List an!“
„Ah! Welche?“
„Nun, das ist sehr einfach. Sie sind in die beiden Deutschen vernarrt; man tut, als ob man den beiden Kerls an das Leben wolle und sie nur durch Übergabe der Dolche loskaufen lasse.“
„Dieser Gedanke ist sehr gut. Wann führen wir ihn aus?“
„Natürlich heute noch. Morgen abend sind wir in Fort Guadeloupe; dann ist es zu spät.“
„Einverstanden! Ich möchte wetten, daß die beiden Mädchen baldigst ihre Liebhaber aufsuchen; dann kann es losgehen. Passen wir gut auf!“
„Ja, passen wir auf.“
„Wo?“
„Hier, bei meinem Zelt. Von hier aus kann man es am besten beobachten. Gehen wir in den Schatten, wo uns niemand sehen kann.“
Sie traten miteinander hinter das Zelt zurück. Dort blieb der Kapitän augenblicklich stehen und lauschte.
„Was ist's?“ fragte der Leutnant.
„Es war mir, als hätte ich gesehen, daß sich dort das Gras bewegte.“
„Ich sah nichts.“
„Und als
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