46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
hörte ich ein leises Knacken, als ob es von Handgelenken herkäme.“
„Pah, die Luft hat mit einem dürren Ast gespielt.“
„Jedenfalls. Die Wachtfeuer bringen eigentümliche Schatten hervor. Man möchte zuweilen denken, daß jeder Grashalm Leben habe. Legen wir uns nieder!“
Der Kapitän hatte jedenfalls sehr recht gesehen. Das ganze Rondell war von Apachen besetzt. Sie hatten die Franzosen kommen sehen und alles beobachtet. Der ‚Schwarze Gerard‘ aber fühlte bei dem Gedanken, daß so viele Menschen getötet und skalpiert werden sollten, ein inniges Mitleid. Er sprach ‚Bärenauge‘ zu, dieser aber forderte unbedingt die Skalpe; daher nahm Gerard sich vor, erst einmal zu lauschen, ob er nicht etwas anderes entdecken könne, was geeignet sei, einen Grund zur Gnade abzugeben. Darum huschte er nieder und glitt unbemerkt bis an das Zelt des Leutnants. Dort hörte er jedes Wort, welches zwischen diesem und Pepi gesprochen wurde. Als das Mädchen dann das Zelt verlassen hatte und der Premier nach demjenigen des Kapitäns ging, huschte auch der Jäger von hinten herbei und war Zeuge der nun folgenden Unterredung. Als er genug gehört hatte, schlich er zurück und das gerade noch zur rechten Zeit; denn hätte er nur einen Augenblick länger gewartet, so wäre er von dem Kapitän ganz deutlich gesehen worden. So aber gewann er glücklich den Rand des Tales und stieg hinter den Sträuchern bis dahin empor, wo der Apachenhäuptling stand.
„Mein Bruder hat viel gewagt“, bemerkte dieser.
„Nicht sehr viel“, antwortete Gerard. „Diese Leute kennen die Savanne nicht.“
„Aber es brannten viele Feuer!“
„Ich verstehe das Anschleichen wohl zur Genüge!“
„Mein Bruder ist ein sehr guter Jäger. Er war sicher. Wenn er entdeckt worden wäre, so würden wir sofort über diese dummen Leute hergefallen sein. Was hat er da unten gesehen und gehört?“
„Nicht viel gutes. Ich bat vorhin meinen roten Bruder, mir das Leben aller dieser Männer zu schenken, sie sollten nur gefangen sein und nach Fort Guadeloupe transportiert werden – – –“
„Ich muß nein sagen. Meine Apachen ziehen auf den Pfad des Krieges, um sich die Skalps ihrer Feinde zu holen.“
„Mein Bruder hat recht. Diese Männer kommen nach Mexiko, um die Einwohner zu töten, das Land zu verwüsten und einen guten Mann, der ein deutscher Prinz ist, in das Verderben zu stürzen, aber einige Leben sollte mir mein Bruder dennoch schenken. Ich nehme dafür nichts von der Beute weg.“
„Wie viele Leben forderst du?“
„Das Leben der Frauen.“
„Die tapferen Krieger der Apachen führen nicht mit Frauen Krieg“, antwortete ‚Bärenauge‘ stolz. „Der Skalp eines Weibes gilt so wenig, wie das Fell einer Maus. Das Leben der Frauen sei dir geschenkt.“
„Ich danke dir. Aber es sind noch zwei Männer dabei, welche ich schonen möchte.“
„Warum?“
„Weil sie nicht Feinde dieses Landes sind, sondern gute Menschen.“
„Sind es Krieger?“
„Nein; es sind kluge Medizinmänner, welche nur kommen, um die heilsamen Kräuter dieser Gegend kennenzulernen.“
„So müssen sie auch sterben.“
„Warum?“
„Wenn sie in ihrem Land erzählen, welche Kräuter es gibt, so werden bald tausende von Bleichgesichtern kommen, um uns diese Kräuter zu nehmen und das Land mit unseren Jagdgründen dazu. Die Bleichgesichter tun es stets so.“
„Und dennoch weiß ich einen Grund, daß du mir ihr Leben schenkst.“
„Sag ihn mir! ‚Bärenauge‘ ist gerecht und gütig; er tötet nicht gern einen Menschen, wenn es einen guten Grund gibt, ihm das Leben zu schenken.“
„Du kennst den Namen Sternau?“
„Ja. Er war der größte Jäger der Weißen und wurde der ‚Fürst des Felsens‘ genannt. Er liebte die Kinder der Apachen und hat nie einen ihrer Krieger getötet.“
„Und du kennst auch den Namen Helmers?“
„Ja. Er wurde ‚Donnerpfeil‘ genannt und war ein Freund meines großen Bruders ‚Bärenherz‘, dem ich alle sieben Tage das Leben eines Bleichgesichtes opfere. Sternau und Helmers zogen fort mit ‚Bärenherz‘, und nun sind sie verschollen.“
„Weißt du, aus welchem Land die beiden großen Jäger waren?“
„Ich habe es auf der Hacienda del Erina erfahren. Sie waren aus dem fernen Land Germania, dessen Bewohner alle Freunde der Apachen sind.“
„Nun wohl! Die beiden Männer, deren Leben ich von dir erbitte, sind aus demselben Land Germania.“
„Weiß mein Bruder dies genau?“
„Ja.“
Der
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