46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
hätten sich wirklich mit dem Dolch verteidigt?“
„Das versteht sich!“
„Und er ist faktisch mit Curare vergiftet?“
„Ja. Der kleinste Hautritz ist tödlich, und zwar binnen einer Minute.“
„Alle Wetter, was seid ihr Mexikanerinnen für gefährliche Frauen!“
„O Señor, in der Liebe nicht, aber im Haß und in der Rache.“
„Auch in der Liebe.“
„Wieso?“
„Ihr erzwingt sie Euch.“
„Das bezweifle ich“, sagte sie leise und beinahe traurig.
Er trat ihr einen halben Schritt näher und fragte:
„Muß man nicht eine junge Dame lieben, die sich so furchtlos bereit erklärt, einen gegen eine ganze Kompanie Soldaten zu verteidigen?“
Sie schwieg, und erst nach einer Weile klang es wie fragend:
„Aber jene Sängerin!“
„Fast habe ich sie vergessen.“
„Mit der köstlichen Altstimme!“
„O Señorita, Euer Organ klingt dem ihrigen so ähnlich, so voll und tief, so sonor, daß ich glaube, Euer Gesang müsse dem ihrigen gleichen.“
„Ah, Señor, so ein Benedictus qui venit werde ich nie bringen.“
„Es gilt ja nur den Versuch!“
„Aber sie war ja eine Grafentochter!“
„Die Tugend und die Liebe haben gleichen Wert, ob sie im Herzen einer Vornehmen oder Armen wohnen. Ich suche nicht Reichtum, ich suche nur Liebe – und Tugend.“
„Und diese Sängerin war tugendhaft?“
„Ich weiß es nicht.“
„Aber ich, Señor?“
„Schweigt, Señorita! Ich fühle, daß ich Euch vielleicht lieben könnte, und da will ich mir diesen Augenblick nicht mit Grillen verderben.“
Er bog sich nieder, um den Arm um sie zu legen. Sie aber entschlüpfte ihm.
„Wartet, bis Ihr an mich glaubt, Señor!“
Mit diesen Worten zog sie auch noch ihre Hand aus der seinigen und verschwand hinter dem Türvorhang ihres Zeltes. Er blieb in Gedanken versunken stehen.
„Ein unbegreifliches Wesen!“ dachte er. „Sie ist jener herrlichen Sängerin so außerordentlich ähnlich, ist ebenso schön, vielleicht noch schöner, denn ich sah die erstere nur vom Chor herabblicken, so daß ich nur den Kopf erkannte. Aber – hm, sie ist eine Grisette? Warum folgt sie mir? Warum stellt sie ihre weibliche Tugend auf das Spiel wegen eines Mannes, der ihr unbekannt ist? Dies stößt mich ab, und doch ist sie so schön, so glühend, so mutig, daß ich sie immer und immer wieder umarmen möchte. O, diese Mexikanerinnen, wer kann aus ihnen klug werden!“
Er kehrte nach seinem Zelt zurück. Da mußte er bei demjenigen seines Kollegen vorüber. Dieser stand gerade im Begriff, dasselbe zu verlassen und erkannte ihn.
„Ah, Berthold, du? Wie steht es?“
„Gut. Diese Apachen sind unsere Freunde, und morgen reiten wir mit ihnen nach Fort Guadeloupe, um abzuwarten, wann wir zurückkehren können.“
„Welch ein Glück! Dem Tod so nahe und doch gerettet!“
„Das haben wir diesem ‚Schwarzen Gerard‘ zu verdanken.“
„Ich weiß es; aber es ist mir völlig unbegreiflich, weshalb er sich gerade für uns so interessiert.“
Berthold erklärte es ihm, soweit er selbst es soeben erfahren hatte. Dann fragte er:
„Hast du eine Ahnung von der eigentlichen Ursache, daß man uns töten wollte?“
„Das versteht sich: Der Kapitän war in Zilli verliebt.“
„Und der Oberleutnant in Pepi. Diese beiden Mexikanerinnen wären schuld gewesen an unserem Tod; aber sie haben uns dafür desto energischer verteidigt. Hattest du jenes Schreiben wirklich von Juan Franzisco?“
„Nein. Ich ließ es mir vom Grafen La Tour schenken, um ein Autograph des berühmten Parteigängers zu besitzen. Aber dein Brief?“
„War ein ganz ungefährliches Schriftstück. Ich sollte d'Huart eine Dosis Opium gegen ein Magenleiden schicken. Die Bemerkung, welche er über Bazaine machte, war eine ganz zufällige, und stand mit dem Marschall nicht in der geringsten Beziehung.“
„So hätten wir beide unschuldig sterben müssen, wenn wir die beiden Mädchen nicht gehabt hätten. Ich werde trotz der späten Stunde die kleine Zilli aufsuchen, um mich bei ihr zu bedanken.“
„Ich habe dies bei Pepi bereits getan.“
„Ah! Und wie hat sie es aufgenommen?“
„Sehr spröde.“
„So werde ich sehen, ob ich mehr Glück habe!“
Er ging. Er war wirklich ganz voll Dankes gegen das schöne Mädchen, welches er bisher so zurückstoßend behandelt hatte. Er trat an das Zelt und schob den Vorhang ein wenig zur Seite.
„Señorita Zilli, schlaft Ihr schon!“ fragte er hinein.
„Nein“, antwortete die Gefragte.
„Ich darf wohl
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