46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
geschlafen, Señor. Da er aber ein Spion war, so hat ihn der ‚Schwarze Gerard‘ des Nachts aus Eurem Haus geschafft und jenseits des Presidio unschädlich gemacht.“
Der Alte hatte vor Erstaunen den Mund weit offen.
„Ein Kapitän, verkleidet bei mir?“ fragte er ganz entsetzt.
„Ja.“
„So ist es jener Goldsucher gewesen, der dann am Morgen verschwunden war.“
„Möglich.“
„Und Gerard hat ihn fortgeschafft?“
„Ja.“
„So muß er doch des Nachts in meinem Haus gewesen sein?“
„Es ist nicht gut anders möglich.“
„Hätte ich das gewußt! Ja, dieser Gerard ist der berühmteste und größte Jäger weit und breit. Kein Mensch ist vor ihm sicher, und überall, wo er gebraucht wird, da ist er auch. Also er befindet sich bereits im Fort?“
„Ja.“
„So hoffe ich, daß er auch zu mir kommen wird!“
„Natürlich! Ich erwarte ihn ja bei Euch. Er ist, wie ich hörte, zum Anunciamiento (Bürgermeisteramt) gegangen, um den Apachen die Erlaubnis auszuwirken, ins Fort kommen und sich Verschiedenes kaufen zu dürfen.“
„Heilige Maria! Dann kommen die Wilden auch zu mir?“
„Jedenfalls.“
„Welches Unglück! Ich habe keinen Schwiegersohn, der mir beistehen könnte!“
Der kleine Jäger konnte ein Lächeln nicht unterdrückten. Er sagte:
„Ihr braucht keine Sorge zu haben, Señor. Die Apachen werden Euch nicht das geringste tun. Ihr werdet sogar großen Profit von ihnen haben, denn sie haben natürlich den Franzosen das ganze Geld abgenommen, und da Ihr den einzigen Laden des Forts besitzt, so steht zu erwarten, daß sie sehr viel kaufen.“
„Aber nicht bezahlen!“ rief der Wirt.
„Da müßt Ihr Euch an Gerard wenden, dem gehorchen sie auf alle Fälle.“
„O Mater Dolorosa, wenn er doch bereits hier wäre! Fünfhundert Apachen wollen kaufen, und ich allein soll alles bewältigen. Ich habe niemand, der mir helfen kann, zwar eine Tochter, aber keinen Schwiegersohn!“
„Übrigens“, fuhr der Kleine fort, „wollen die beiden deutschen Doktoren bei Euch wohnen und die zwei Señoritas auch.“
„Die Deutschen? Ist das wahr?“
„Ja. Sie bleiben hier, bis die Wege wieder sicher sind.“
„Gott sei Dank! Das ist ein Trost in diesem Jammer. Sie werden Pirna kennen und die Elbe und mir beistehen, die Apachen zu befriedigen. Aber was wird mit den toten Franzosen geschehen?“
„Der ‚Schwarze Gerard‘ wird auf dem Anunciamiento erwirken, daß Bewohner des Forts nach der Schlucht gesandt werden, um sie zu beerdigen.“
Die beiden Sprecher hatten gar nicht bemerkt, mit welchen Blicken die schöne Resedilla den anderen Jäger beobachtete, welcher ruhig auf seinem Stuhl saß und gar nicht tat, als ob ihn das Gespräch interessiere. Jetzt aber erhob er sich und ging hinaus, um nach seinem Pferd zu sehen. Als er wieder in den Flur trat, um in die Gaststube zurückzukehren, stand Resedilla in demselben.
„Verzeiht, Señor“, sagte sie in ängstlichem Ton, „dieses Blut an Eurer Jacke ist nicht von einer Ziege.“
Er blickte ihr lächelnd in die Augen, welche voller Besorgnis auf ihn gerichtet waren und fragte:
„Wovon sollen sie sonst sein, Señorita?“
„Ihr seid verwundet!“
„Verwundet?“ fragte er verwundert. „Wer sollte mich verwundet haben?“
„Gestern abend die Franzosen.“
„Ah, wie bringt Ihr mich mit den Franzosen zusammen?“
Da faßte sie sich Mut und antwortete:
„Entsinnt Ihr Euch noch, daß Ihr droben im Zimmer auf dem Stuhl eingeschlafen wart?“
„Ja“, antwortete er.
„Nun, da habe ich unterdessen Euer Gewehr aufmerksam betrachtet.“
„Wirklich? Weshalb?“
„Um zu sehen, ob der Kolben von Gold ist.“
„Sapristi!“ sagte er überrascht. „Welchen Grund hattet Ihr dazu?“
„Ich ahnte bereits, wer Ihr seid.“
„Ah, Señorita, das war sehr wißbegierig von Euch!“
Er wollte seiner Stimme den Ausdruck des Vorwurfs geben, allein, es gelang ihm nicht. Er freute sich über den Scharfsinn, den die Geliebte entwickelt hatte.
„Werdet Ihr mir das verzeihen, Señor?“ fragte sie.
„Gern, Señorita. Aber was denkt Ihr nun von mir?“
„Ihr seid der ‚Schwarze Gerard‘.“
„Ja, Resedilla, ich bin es. Ich hatte Gründe, es verschwiegen zu halten. Euer Vater plaudert gern, obgleich er ein so großer Politikus und Diplomatikus ist. Laßt ihn noch jetzt bei seinem Irrtum; es wird mir Spaß machen.“
„Also, Ihr seid wirklich nicht verwundet?“
„Nein.“
Er sah, mit welcher Besorgnis sie ihn betrachtete,
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