46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
Julep, und dann werde ich es Euch erzählen, ganz richtig der Reihe nach.“
Er empfing den Branntwein, nippte daran und berichtete dann.
„Also, ich hatte für Euch den Bock geschossen, Señor Pirnero, ein Kapitalbock, sage ich, und lief nun mit ihm durch den Wald, um nach dem Fort zu gehen. Fast am Ende des Waldes angekommen, hörte ich ein Pferd schnaufen. Man muß hier stets auf der Hut sein; darum blieb ich stehen und lauschte. Aber indem ich horchte, richteten sich plötzlich fünf Gestalten vor mir auf. Es waren Apachen, und zwar auf einem Kriegszug; das sah ich gleich an der Bemalung ihrer Gesichter.“
„Heilige Maria, so ist es also wirklich wahr?“ fragte Pirnero.
„Natürlich“, antwortete der Kleine. „Ich griff sofort zur Büchse, aber sie wurde mir im Nu entrissen und so ging es auch mit dem Bowiemesser.“
„Ihr wart gefangen?“
„Wir alle beide, nämlich ich und der Bock“, lachte der Kleine. „Das ist allerdings fatal. Ein Jäger gefangen, ohne Gelegenheit zu finden, einen Schuß oder Stich zu tun, das ist eigentlich sehr ehrenkränkend. Aber in der offenen Prärie oder im Urwald wäre mir dies sicherlich nicht passiert.“
„Ich glaube es Euch, Señor!“ versicherte Pirnero.
„Wer denkt auch, daß hier in unmittelbarer Nähe des Forts fünfhundert Apachen stecken können! Also, ich war festgenommen und wurde vor den Anführer transportiert. Dieser lag inmitten eines Kreises, den seine Leute bildeten. Er war ein noch junger Kerl, schien aber Haare auf den Zähnen zu haben. Er blitzte mich mit seinen Augen an, daß mir angst und bange wurde, und fragte, was ich hier zu tun habe.
‚Ich habe dieses Wild geschossen‘, antwortete ich.
‚So bist du ein Jäger?‘ fragte er.
‚Ja‘, antwortete ich.
‚Wie ist dein Name?‘
‚Man nennt mich den 'Kleinen André'.‘
Der Apache dachte eine Weile nach, nickte langsam mit dem Kopf und sagte dann: ‚Ich habe deinen Namen gehört, du bist kein Franzose. Wohin willst du jetzt dieses Tier tragen?‘
‚Nach dem Fort.‘
‚Was tust du im Fort?‘
‚Ich warte auf einen anderen Jäger.‘
‚Wie heißt er?‘
‚Man nennt ihn den 'Schwarzen Gerard'.‘
Da sah mich der Apache an, als ob er mich mit seinen Augen anbrennen wollte, dann sagte er:
‚Was willst du von ihm?‘
‚Ich habe ihm eine Botschaft zu sagen.‘
Jetzt nickte er wieder, lächelte ein wenig und winkte. Auf diesen Wink wurde mir mein Gewehr und mein Messer wiedergegeben, dann meinte er.
‚Gehe nach dem Fort. Du bist frei. Du wirst Gerard finden.‘
Das war mir natürlich sehr überraschend; darum wagte ich die Frage:
‚Weißt du genau, daß er sich dort befindet?‘
‚Ich bin heute morgen mit ihm geritten‘, antwortete er. ‚Er ist in das Fort gegangen vor der Hälfte der Zeit, welche die Bleichgesichter eine Stunde nennen.‘
‚So ist der 'Schwarze Gerard' ein Freund von dir?‘ fragte ich.
‚Ich bin 'Bärenauge', der Häuptling der Apachen‘, antwortete er, ‚und Gerard ist mein Bruder.‘
Diese Worte überzeugten mich, daß wir von den Apachen nichts zu befürchten hätten, und darum erlaubte ich mir die Frage:
‚Was tut 'Bärenauge' hier am Fort mit seinen Kriegern?‘
‚Er hat mit Gerard das Fort beschützt‘, antwortete er. ‚Gestern kam eine Kompanie Soldaten, um das Fort zu überfallen. Wir haben sie in der Schlucht des Teufels geschlagen und nur zwei Männer und zwei Frauen übriggelassen, welche du dort am Baum sitzen siehst.‘
Das war wahr. Unter einem Baum saßen zwei weiße Señores und zwei weiße Damen. Ich redete sie an und denkt Euch mein Erstaunen, als ich hörte, daß die zwei Männer Deutsche seien.“
„Deutsche?“ rief da Pirnero. „Ist das wahr?“
„Natürlich.“
„Wo waren sie her? Aus Sachsen?“
„Nein.“
„Aus Pirna?“
„Nein. Wenn sie nicht aus Sachsen sind, so können sie doch auch nicht aus Pirna sein! Es waren zwei Ärzte aus Wien. Sie erzählten mir alles.“
„So hat der Häuptling keine Lüge gemacht?“ fragte der Wirt.
„Nein. Die Franzosen haben wirklich das Fort überfallen wollen, und die beiden Ärzte sind mit ihnen ausgezogen. Der ‚Schwarze Gerard‘ aber hat sie abgelauert und mit den Apachen überfallen. Es ist kein einziger übriggeblieben.“
„Heilige Madonna, in welcher Gefahr haben wir geschwebt!“ rief Pirnero.
„Ich erfuhr“, sagte der Kleine, „daß ein Kapitän der Franzosen verkleidet sich bereits im Fort befunden habe. Er hat sogar bei Euch
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