47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
hatte … an den Ausdruck auf den Gesichtern der Ronin, als er Kiras Männer ganz allein in Uetsu niedergestreckt hatte … sogar an die Menge auf Burg Ako, als er verkleidet in einer Rüstung mit dem Asano-
mon
gegen Kiras Kämpfer angetreten war.
Er würde immer anders sein, ein
gaijin
, ein Außenseiter, ganz gleich wo er hinging. Vor dieser Wahrheit gab es kein Entrinnen. Schon seit seiner Geburt bekämpfte sich das Blut in seinen Adern selbst. Die
tengu
hatten ihn aufgezogen, und er kämpfte wie ein Dämon, nicht wie ein normaler Mensch …
Doch er war als Krieger geboren worden, so sicher wie jeder dieser Männer hier um ihn herum, in deren Adern das Blut der Samurai floss.
Denn er war ein Halbblut
. In jeder Dunkelheit, so sagte man, gab es einen Funken Licht – in jedem Licht einen dunklen Fleck … Auf diese Weise bewahrte das Universum seine Balance, wenn die Natur des Seins aus dem Gleichgewicht geriet.
Halbblut
. Er lächelte Bashō an, der sein Schwert zurück in die Scheide steckte. Der großgewachsene Ronin ging weiter neben ihm her und unterhielt sich tatsächlich mit ihm. Kai warf noch einmal einen Blick auf Yasuno und sah dessen verblüfften Gesichtsausdruck, als er beobachtete, wie Bashō mit dem Mann redete und scherzte, den er jetzt mehr denn je verachtete.
Isogai stützte sich mit einem Ellbogen auf dem verkratzten Tisch des Bordells ab, das gleichzeitig ein billiges Gasthaus war. Er tat so, als wäre ihm der Sake, den er trank, viel schneller zu Kopf gestiegen, als es der Fall war. Der billige Sake in der billigen Kneipe war furchtbar, sodass es ihm nicht schwerfiel, diesen in kleinen Schlucken zu trinken. Die Tatsache, dass er sich auf Befehl seines Anführers hier aufhielt, war ebenso schwer zu glauben, wie die Tatsache, dass er allein hier sein musste. Wenn er ausging, um sich zu amüsieren, tat er das am liebsten mit Freunden. Doch all seine Freunde waren jetzt einen weiten Ritt entfernt.
Oishi hatte allerdings recht – sie brauchten Informationen über Kiras Pläne, und die bekam man am besten an Orten wie diesem … am anrüchigsten Ort der Stadt, der bevölkert war mit überfressenen Händlern und unwichtigen
bakufu
-Beamten, die ihren eigenen Erlassen gegen Samurai, die Orte von zweifelhafter Moral aufsuchten, zuwiderhandelten.
Das Publikum um ihn herum lachte laut über das unerhört unzüchtige Stück, das von einer Wandertheatertruppe aufgeführt wurde. Dabei tranken sie sich genug Stumpfsinnigkeit an, dass sie die Frauen, die ihre Becher nachfüllten, verführerisch fanden. Dabei waren die meisten Frauen so anziehend wie der Bösewicht des Stücks – ein Schauspieler, der eine groteske
oni
-Maske trug.
Isogai seufzte laut, als er sich daran erinnerte, dass er in dieser Schmierenkomödie von einem Abend seine ganz eigene Rolle zu spielen hatte. Er gab sich als verdrossener Ehemann aus. Er beugte sich zu dem betrunkenen Beamten, mit dem er den Tisch teilte, vor. »Meine Frau hört nicht auf zu zetern«, sagte er. Dabei musste er die Stimme erheben, um sich Gehör zu verschaffen. »Sie will, dass ich den Platz mit der besten Aussicht auf Fürst Kiras Festzug für sie finde.«
Der Beamte schaute ihn mit verschwommenem Blick überrascht an. »Was für’n Festzug?«, fragte er. »Er wird die Festung bei Sonnenuntergang verlassen, am Schrein beten und dann wieder zurückeilen.« Er zuckte mit den Schultern, als sollte Kiras Besessenheit, was seine Sicherheit anging, für diejenigen, die in seinem Reich lebten, selbstverständlich sein.
Der Beamte grinste schief und wandte sich wieder ab. Er streckte seine Hände nach einer vorbeigehenden Frau aus und zog sie auf seinen Schoß. Isogai trank den restlichen Sake in einem Zug aus und starrte dann einfach vor sich hin. Seine Bestürzung brauchte er nicht einmal vorzutäuschen.
Götter, was sollten sie denn jetzt tun?
Es war unwahrscheinlich, dass jemand anderes wusste, welche Straße oder welche Nacht Kira wählen würde, um den Schrein aufzusuchen – dafür war er viel zu vorsichtig. Doch die ganze Gruppe Ronin konnte sich schlecht in der Nähe versammeln und tagelang unbemerkt bleiben. Kiras Spionagenetzwerk war viel zu gründlich.
Plötzlich bemerkte er, dass eine Prostituierte schweigend neben ihm kniete und geduldig darauf wartete, dass er ihr die Erlaubnis gab, seinen Becher nachzufüllen. Er war über ihre Manieren leicht verwundert, da die meisten dieses Einverständnis nicht abwarteten. Sie waren viel zu sehr darauf
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