47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
erpicht, die Männer betrunken zu machen und ins Bett zu zerren, um ihren Unterhalt zu verdienen.
Er warf ihr einen Blick zu und war verblüfft darüber, wie jung und hübsch sie war. Sie war von einer Aura der Reinheit umgeben, die von ihrem schmutzigen Beruf scheinbar unberührt geblieben war. Es schien, als wäre sie kaum länger als er selbst hier. Mit einem Nicken gab er die Erlaubnis, seinen Becher erneut zu füllen. Er betrachtete die sinnlichen Kurven ihres Halses und die Zartheit und Würde ihrer Bewegungen, während sie den Sake eingoss.
Er fragte sich, ob sie die Tochter eines Samurai war, dem es schlecht ergangen war. Er wusste, dass nicht nur Bauern dazu gezwungen waren, ihre Kinder in die Zwangsarbeit zu verkaufen, normalerweise an Bordelle. Er starrte ihr zerbrechliches Gesicht und ihre bescheiden niedergeschlagenen Augen an und fragte sich, wie ein Vater so verzweifelt sein konnte, sich von ihr zu trennen.
Aber verzweifelte Männer taten verzweifelte Dinge. Jeder, der wusste, was er und seine Ronin gerade planten, würde sie wahrscheinlich wahnsinnig nennen
.
Ungeachtet dessen, wo er war und warum, fragte er sie unwillkürlich: »Wie heißt du?«
»Yuki«, antwortete das Mädchen. Ihre Augen blieben bescheiden niedergeschlagen. Der Name bedeutete
Schnee
. Das war ein passender Name für ein Kind, das in dieser Bergregion geboren worden war … und eine so reine Aura ausstrahlte. Er hatte den Gedanken gerade zu Ende gedacht, als sie ihm in die Augen schaute, und er hatte Mühe, seine Überraschung zu verbergen. Sie musste teilweise blind sein, denn eines ihrer Augen war blassblau. Trotzdem verschlug ihm der Anblick ihres Gesichts, das zu ihm aufsah, den Atem. Er fand sie absolut bezaubernd.
Danach schmeckte der Sake, den er trank, irgendwie nach gefallenem Schnee und Kirschblüten im Frühling, denn Yuki saß an seiner Seite, um seinen Becher nachzufüllen. Bald bot er ihr Sake an und lächelte selig, als sie aus demselben Becher tranken.
Lebe betrunken und stirb träumend
.
Es dauerte nicht lange – und er konnte sich nicht genau daran erinnern, wie es geschehen war –, bis er sich volltrunken in einem Bett in einem kleinen, von Kerzen erleuchteten Raum wiederfand. Die Trunkenheit kam nicht nur vom Sake, sondern von dem berauschenden Gefühl, ihren schlanken, biegsamen Körper an seinen gepresst zu spüren. Sie stützte sich auf einen Arm und streichelte sein Gesicht. Ihre Berührung war zärtlich und doch unterschwellig sinnlich. Ihr langes schwarzes Haar liebkoste seine Haut.
»Du bist viel netter als die Männer, die normalerweise hierherkommen«, sagte sie sanft. »Viel edler.«
Isogai lächelte mit geschlossenen Augen. Seine Sinne waren vollkommen von der sanften Berührung ihrer Finger gefangen. Er wusste, dass er nicht gerade wie der Bedienstete eines Fürsten aussah, der er früher einmal gewesen war, aber dennoch … »Vielleicht bin ich das«, murmelte er und genoss den Gedanken.
Immerhin besaß er immer noch das Eine, auf das er zu Recht stolz war:
bushidō
. Er hatte immer den Kodex rechtschaffenen Verhaltens angewendet, gleich wer sein Gegenüber war, mochte er auch noch so einfach sein, wie es Buddhas Wille war. Er behandelte jede Frau – auch eine Prostituierte – so höflich wie eine Edeldame, während die meisten Männer seines Standes alle Frauen, sogar ihre Ehefrauen, mit kaum mehr Achtung behandelten als eine Prostituierte. Das war das wahre Geheimnis hinter seinem Ruf als Frauenheld und das Einzige, das sogar seine besten Freunde irgendwie nie verstanden hatten.
»Mein verkleideter Prinz.« Yuki lächelte ihn schüchtern an.
»Nicht ganz ein Prinz.« Sein eigenes Lächeln wurde breiter.
»Dann eben ein Krieger …«, flüsterte sie und beugte sich vor.
Seine Antwort bestand aus einem lustvollen Stöhnen, als sie ihn lang und innig küsste. Ihre seidigen Haare legten sich um seinen Hals.
»Ich möchte dir alles über mich erzählen, mein schöner Samurai…« Ihre Stimme liebkoste ihn so wohlig wie ihre Küsse.
Doch als er langsam die Augen öffnete, um zu ihrem Gesicht hinaufzusehen, wurde das Haar, das sie so liebevoll wie ein Streicheln um seinen Hals gelegt hatte, plötzlich dicker und bewegte sich, als sei es lebendig. Wie eine Schlange glitt es um seine Kehle und zog sich zu.
Isogai schnappte nach Luft und kämpfte in panischer Ungläubigkeit dagegen an. Er hob seine Hände, umklammerte das Haar und versuchte, sich zu befreien. Doch die Strähnen zogen
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