47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
hustete, bis er sich übergab.
Irgendwann kam Maseki, die Wache, mit der er vor Kai gesprochen hatte, um nach ihm zu sehen, und half ihm zurück ans Feuer.
Das Halbblut saß wartend da und hielt eine Schale mit heißem Tee in den Händen, als hätte er mitten in der Nacht, während die anderen um ihn herum schliefen, nichts Besseres zu tun, als Tee zu kochen. Er drängte Oishi den Tee auf, der nach einem Schluck erkannte, dass es sich um Bashōs Heiltee handelte, mit dem er Hals- und Brusterkrankungen kurierte. Darin befanden sich weitere Kräuter, die er nicht identifizieren konnte. Er trank den Tee aus, während Maseki neben ihm stand und ihn mit besorgt gerunzelter Stirn beobachtete. Er bedankte sich bei Maseki und befahl ihm, wieder auf seinen Posten zu gehen.
Bevor er Kai wieder ansehen konnte, war das Halbblut bereits auf seinen eigenen Wachposten zurückgekehrt. Oishi legte sich am Feuer hin und wickelte sich missmutig in seinen Binsenumhang.
Er erwachte am nächsten Morgen und seine Erinnerung an die vergangene Nacht wäre ihm wie ein böser Traum vorgekommen, wenn Bashō nicht dagewesen wäre und darauf bestanden hätte, dass er noch mehr von dem Heiltree trank. Dann gab er ihm eine Salbe, mit der er Hals und Brust einreiben sollte. Chikara beobachtete ihn während seiner Mahlzeiten und stellte sicher, dass er auch aß. Danach schlief er die ganze Nacht durch. Mit jedem neuen Tag erwachte er gestärkter und fühlte sich immer munterer. Sein Husten und schließlich auch seine Ablehnung verschwanden. Aber erst der gesunde Menschenverstand und völlige Erschöpfung hatten ihn dazu gezwungen, die Weisheit der unerbittlichen Fürsorge des Halbbluts anzunehmen.
In der Zwischenzeit gab er widerwillig zu, dass Kai – mit seinen dämonisch geschärften Instinkten und seinen Spurenleserfähigkeiten – sie ganz alleine sicher führen und auf Kurs halten konnte, damit sie an das Ziel gelangten, von dem er schon befürchtet hatte, sie würden es nie erreichen: das verlassene Bauernhaus, wo sie sich mit Hazama und den übrigen Anhängern Fürst Asanos, die dieser und die anderen Späher verpflichten konnten, treffen würden.
Dadurch, dass er Kai die Erlaubnis erteilt hatte, sie zu führen, ohne ständig mit ihm Rücksprache zu halten, hatte er freiwillig einem von Dämonen aufgezogenen Halbblut mehr Verantwortung übertragen als jedem normalen Mann, ganz gleich welchen Rangs.
Doch Kai war Spurenleser und Überlebenskünstler, und diese Qualitäten brauchten seine Männer bei ihrem Anführer – zumindest bis sie den verlassenen Bauernhof erreichten. Seit dem Besuch in der Höhle der
tengu
hatte Oishi tief in seine Seele geblickt und erkannt, dass Kai ihrer Sache ebenso ergeben war wie jeder Samurai, ganz gleich was seine persönlichen Beweggründe waren.
Oishi wusste nicht mehr, wie viele Tage sie bereits unterwegs waren – obwohl Chikara Stein und Bein schwor, sie wären noch im Zeitplan –, als sie endlich das verlassene Bauernhaus mitten auf einem freien Feld entdeckten. Es war später Vormittag, und die brachliegenden Felder waren von einer dünnen Schneedecke überzogen, auf der das Sonnenlicht glitzerte.
Hazama, Chuzaemon und Okuda hatten den Treffpunkt vor ihnen erreicht und eine Gruppe Rekruten mitgebracht. Erleichterung verdoppelte die Freude über ihr glückliches Wiedersehen. Alte Freunde, Väter, Söhne und Brüder, die sich ein langes, hartes Jahr lang nicht gesehen und sogar befürchtet hatten, sie würden sich nie wiedersehen, brüllten, riefen Grußworte und umarmten sich. Dabei tauschten sie Geschichten darüber aus, wie es ihnen ergangen war und wo sie gewesen waren.
Kai bewegte sich wie ein Schatten durch das Zimmer und war wieder einmal allein in der Menge. Er suchte nach einem Platz, an dem er für sich sein konnte. Er hatte so viel mit Oishi und dessen Gruppe durchgemacht, dass sie ihn mittlerweile wirklich akzeptiert hatten, wenn auch nur weil er nützlich war. Chikara und Bashō unterhielten sich freiwillig mit ihm, und Oishi hatte hinter vorgehaltener Hand alle darüber informiert, dass Kai der Einzige unter ihnen war, der sie sicher zu diesem Treffen bringen konnte. Kai hatte sich an die Veränderung allzu schnell gewöhnt …
Das war dumm
, wurde ihm jetzt klar. Denn jetzt war diese Zeit vorüber, und er war wieder von früheren Dienern Akos umgeben, die ihn nur als Außenseiter oder Dämon betrachteten. Das war schlimmer, als unter Fremden zu sein, denn an die Wahrheit erinnert
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