47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
zu zittern, als er sich auf den Rückweg durch die Höhle machte. Dann bebte sein ganzer Körper unkontrolliert, und sein flaches Keuchen klang beinahe wie Schluchzen.
Sojobo warf einen kurzen Blick nach unten auf das Schwert, das sich gegen seine Kehle drückte. Dann wanderte sein Blick an der Klinge entlang zu Kais Hand und zu dessen Gesicht. Schließlich trafen sich ihre Blicke, und Kai sah zum ersten Mal weder Ärger noch Abscheu, oder überhaupt etwas in den Augen seines Pflegevaters. Stattdessen war da nur ein kurzes Aufflackern von Respekt. Darauf hatte er lange gewartet.
Er war nicht sicher, was auf seinem eigenen Gesicht abzulesen war. Er wusste nur, dass er jeden Ausdruck auf dem Gesicht des
tengu
-Fürsten ohne mit der Wimper zu zucken hingenommen hätte. Seine Augen baten seinen früheren Fürsten erneut um eine Antwort auf seine Frage.
Sojobo nickte leicht, und Kai senkte das Schwert. Es war jetzt sein Schwert.
»Kai ...« Sein früherer Fürst schien beinahe zu seufzen, als er den Namen aussprach. Er wiegte den Kopf von einer Seite zur anderen. »Wenn du von hier fortgehst, wirst du in dein Verderben rennen.« In diesen Worten lag weder eine Lüge noch eine Drohung.
Kai sah in diese merkwürdigen, goldenen Augen, die ihm einmal so vertraut gewesen waren, und fand dort nur Resignation, keine Spur von Eigennutz oder Betrug. Sein eigener Blick war fest. »Ich bin bereit, mich dem zu stellen.«
Erst als er sich abwandte, um seinen ehemaligen Meister für immer zu verlassen, murmelte er: »Ich habe meine Wahl in dem Moment getroffen, als ich sie sah.«
Während Kai den Durchgang zur Gebetshalle durchquerte, folgte ihm ein gebrochenes Flüstern durch die Luft oder in seinen Gedanken – Worte voller Bedauern, von denen sein früherer Fürst dachte, er hätte sie nur zu sich selbst gesagt: »Ich weiß ...«
Oishi stand da und starrte eine gefühlte Ewigkeit auf seine leeren Hände. Auch sein Geist war leer, doch dann hörte er Schritte auf sich zukommen.
Er blickte auf – und sah, wie das Halbblut aus den Schatten bei der Statue Fudōs auftauchte. Er trug das schönste Schwert, das er je gesehen hatte. Doch Kai bewegte sich, als wäre er aus dem Kampf gegen seinen früheren Fürsten als Verlierer und nicht als Sieger hervorgegangen. Die Klinge, die er trug, schien schwerer zu sein als Stein.
Oishi starrte Kai genauso an wie zuvor seine Hände. Sein Blick war noch immer von dem roten Albtraum, den er gerade durchlebt hatte, getrübt …
von dem er dachte, dass er ihn durchlebt hätte
…
Kai blieb vor ihm stehen und ließ Oishis Ausdruck und die Tatsache, dass jeder Atemzug dessen Körper immer noch schüttelte, auf sich wirken. Sein Gesicht schien Oishis Gesichtsausdruck widerzuspiegeln, als er fragte: »Was haben sie Euch gezeigt?«
Oishi schaute weg und schluckte schwer, bevor er seinen Mund zwingen konnte, zu antworten: »Meine Männer.«
Kai sah erneut sehr lange in Oishis gerötete Augen. Er nickte leicht, und Oishi sah zum ersten Mal einen schwachen Ausdruck von Respekt und Vertrauen im Blick des Halbbluts aufkeimen.
Dann schaute Kai weg und deutete mit dem wunderschönen
katana
, das er trug. »Da habt Ihr Eure Schwerter.«
Oishi folgte seinem Blick. Auf dem Schlachtfeld, auf dem er geglaubt hatte, seine Männer fallen zu sehen, lag wie versprochen ein Haufen glänzender
tengu
-Schwerter und wartete auf sie.
Dann erkannte er, dass da noch ein weiteres Schwert war. Es lag genau vor ihm und glänzte sanft im Licht der Fackeln. Kai hob es auf und drückte ihm den Griff in die Hand.
17
Die Ronin gingen durch den Bambuswald zurück zu ihren Pferden. Jeder von ihnen trug ein
katana
an seiner Seite. Sie wussten, dass sie jetzt Schwerter trugen, die einzigartig waren, selbst in ihrem für die Herstellung feinster Schwerter berühmten Land:
Sie waren aus Dämonenstahl
.
Oishi ging neben Chikara her, und sein Schwert glühte im Licht der Nachmittagssonne wie Feuer. Chikaras Erleichterung darüber, dass sein Vater unversehrt aus dem Tempel der
tengu
zurückgekehrt war, wurde nur übertroffen von Oishis Erleichterung darüber, dass seinen Sohn gesund und munter auf ihn wartete … und damit seine Befehle streng befolgt hatte.
Nun gingen sie Seite an Seite, und Oishi spürte, wie Chikara ihm verstohlene Blicke zuwarf. »Was ist da drinnen geschehen, Herr?«, fragte Chikara schließlich, als er das brütende Schweigen seines Vaters nicht länger ertragen konnte.
Oishi sah zu ihm hinüber und
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