47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
auf Oishis Schultern liegen, obwohl seine verzweifelte Stimme ganz sanft wurde.
Langsam verflog Oishis innerer Zwang, und übrigblieb nur der leere Blick eines verlorenen Kindes.
»Wir müssen gehen«, sagte Kai.
Oishi nickte, und Kai ließ ihn los, weil er spürte, dass der Verstand wieder die Kontrolle über den Körper des anderen Mannes übernommen hatte. Sie wandten sich um, und Oishi riss sich vor den Männern, die auf seine Befehle warteten, zusammen. »Die anderen?«, fragte er. Seine Stimme war vom eingeatmeten Rauch ganz rau.
»Einige kämpfen immer noch da draußen ...« Einer der Männer warf einen Blick über die dunklen Felder. Über dem Brausen und Knistern der Flammen waren Kampfgeräusche zu hören.
»Signalisiert den Rückzug«, befahl Oishi heiser. Ein Mann mit einem Bogen zog einen Signalpfeil hervor und feuerte ihn ab, dann noch einen. Ihr schrilles Pfeifen folgte ihnen in die Nacht hinaus. Hara stand bereits wieder und zog sich die abgebrochenen Pfeilschäfte aus der Rüstung. Yasuno hatte Schwierigkeiten, sich aufzusetzen und rieb sich den Kopf. Hara half ihm auf die Beine und stützte ihn, bis er sein Gleichgewicht wiederfand. Kai streckte seine Hand nach unten aus, um Bashō aufzuhelfen.
»Na los ...«, forderte Kai und runzelte beunruhigt die Stirn, als Bashō zwar zu ihm hochsah, aber nicht einmal die Hand hob.
Bashō schaute ihn weiter an und blinzelte, versuchte aber nicht, aufzustehen. Mit einem seltsamen Gesichtsausdruck sagte er: »Ich kann mich nicht bewegen.«
Kai schaute sich zu den anderen um. Die Gesichter aller zeigten dieselbe schlimme Befürchtung.
Zusammen hoben die vier Männer Bashōs Kopf und Körper vorsichtig vom Boden auf. Es verlangte ihnen alle Kraft ab, die sie noch hatten, ihn mit in den Wald zu zerren, während seine Füße über den Boden schleiften.
Die Hexe wartete mit übermenschlicher Geduld, bis das von ihr angefachte Feuer erstarb. Vorsichtig bewegte sie sich über das, was von dem Feld übriggeblieben war, zwischen den schwelenden, beinahe ausgebrannten Heuhaufen hindurch und an den verkohlten Überresten der Leichen vorbei. In der Ferne qualmten die Stoppeln auf dem Feld, während das Feuer über das Feld davonkroch und schwächer wurde ...
wie ein tödlich verletzter Krieger
. Sie lächelte in sich hinein und suchte den Boden nach Anzeichen für die Identität der Toten um sie herum ab.
Aschewolken stoben unter ihren Füßen auf, und hinter ihrer wehenden Robe folgte ihr eine dunkle Wolke aus Ruß und Zerstörung. Der Wind, der jetzt die Sterne hinter dunklen Wolken erstickte, blies Rauchschwaden in ihre Augen, doch es stiegen keine Tränen auf, um sie auszuwaschen. Sie wedelte ungeduldig den Rauch zur Seite und durchsuchte die Überreste nach irgendeinem Beweis für den Erfolg ihres Plans – einem Beweis, den selbst Kira begreifen würde.
Der Gigant mit der schwarzen Rüstung – der ihre Kreatur war und nicht Kiras, ganz gleich was dieser dachte – folgte ihr schweigend. Er behauptete, dass er Oishi, den früheren
karō
von Burg Ako, getötet hatte, nachdem er ihn am Familienwappen auf seinem Schwert erkannt hatte. Sie hatte keinen Grund, seine Worte anzuzweifeln. Doch Kira würde den Beweis dafür sehen wollen, am besten das Schwert – und deshalb suchte sie danach.
Schließlich entdeckte sie das Glänzen eines weiteren Schwertes in einer verkohlten Hand. Die Klinge war mit Asche bedeckt, aber das Licht reflektierte noch an einigen Stellen. Ihr Diener beugte sich hinunter, hob es auf, wischte Asche und Ruß vom Griff und bot es ihr dar. Ein feines Schwert ... das noch viel schöner wurde durch das auf dem Griff eingravierte
mon
des Oishi-Klans.
Kira wartete in seinen Gemächern, als Mitsuke schließlich in die Burg zurückkehrte. Er selbst hatte die Burg überhaupt nicht verlassen. Sie hatte sich in ihn verwandelt. Die Ankündigung, die Festung zu verlassen und am Familienschrein beten zu wollen, war nur ein von ihr inszenierter Auftritt, um vor den Augen der Dame Mika Frömmigkeit und Tapferkeit zur Schau zu stellen. Kira hatte die Gebete, zu denen er sich bewogen fühlte, am Schrein innerhalb der Burgmauern gesprochen, während ihr Samuraikommandant und die Männer, die scheinbar ihren Fürsten bewachten, in Wirklichkeit ihr gefolgt waren und die Ronin-Verräter in den Hinterhalt gelockt hatten.
Ihr Fürst war wie immer damit zufrieden gewesen, seine Hände in Unschuld zu waschen und andere seine blutigen Taten verrichten zu
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