47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
nicht Kai. Doch außer Kai hatte niemand anders die Erfahrung, diese anzuwenden und Bashōs Wunden zu versorgen.
Wie ein Wachhund wich Yasuno seinem Freund nicht von der Seite und versuchte zunächst, Kai davon abzuhalten, ihn auch nur zu berühren. Doch Bashō selbst hatte Yasuno unter Schmerzen die Anweisung gegeben, Kais Hilfe zuzulassen.
»Er weiß, was er tut«, hatte Bashō gemurmelt. In Kais Erinnerung blitzte Bashō auf, der seine Wunden behandelt hatte, nachdem er von den Ako-Samurai verprügelt worden war und hilflos dalag. Das war mehr als ein Jahr her ... Jetzt schien es ihm, als ob es in einem früheren Leben geschehen war.
Yasuno hatte seinen Kopf gesenkt und der Bitte seines Freundes entsprochen. Er hatte Kai geholfen, weitere Pfeile aus Bashōs Rüstung zu entfernen und diese vorsichtig abzunehmen.
Doch zu viele Pfeile hatten ihr Ziel erreicht. Bashō hatte Verbrennungen erlitten und zusätzlich viel zu viel Blut verloren ... Kai bemerkte die Blässe der Haut, während er sanft die Wundränder reinigte.
Er wusste, dass das, was Bashō ihm gesagt hatte, stimmte: Er wäre nach dem Kampf mit Kiras Kämpfer und allem, was darauf folgte, gestorben, hätte er ihn sich selbst überlassen. Und er war nicht in der Lage gewesen, sich selbst zu helfen, wenn nicht jemand seine Wunden versorgt hätte.
Jetzt war es an ihm, diese Schuld bei dem Mann, der so unerwartet sein Freund geworden war, zu begleichen ... Verzweifelt erkannte er aber, dass er dazu nicht in der Lage war. Bashō starb, und auch die
tengu
hatten keine geheimen Heilkünste, die über das hinausgingen, was sie ihm beigebracht hatten.
Er konnte nur eines tun: Immer wieder die Salbe auftragen, die Bashōs von Verbrennungen und Wunden herrührende Schmerzen linderte. Nur so konnte er ihm helfen und die ihm noch verbleibende Zeit so angenehm wie möglich gestalten. Kai wusste nicht, wie lange das sein würde. Er wusste nur, dass er nie zuvor das Gefühl gekannt hatte, einen Freund zu verlieren.
Er warf einen Blick zu Yasuno, der auf der anderen Seite Bashōs hockte und seine Trauer kaum verbergen konnte. Zum ersten Mal sah Kai ein tiefgreifendes Gefühl wie Trauer auf Yasunos Gesicht. Ihm wurde bewusst, dass er genau wusste, wie der andere Mann sich fühlte, und das überraschte ihn.
Chikara kam, stellte eine weitere Schale mit sauberem Wasser neben Kai und hob die andere auf, in der Blut und Asche das Wasser verdreckt hatten. Kai nickte kurz und schaute gleich wieder weg, weil Bashō flüsterte: »Halbblut?«
Er zwang sich zu einem Lächeln, als er in Bashōs geschwollene Augen schaute. Bashō riss sie mühsam weit genug auf, um den Blick zu erwidern. Kai hatte es seit ihrer ersten echten Unterhaltung nach dem Verlassen der
tengu
-Höhle nie wieder gestört, diesen Namen aus Bashōs Mund zu hören. Eigentlich störte er ihn überhaupt nicht mehr so sehr – dank der Erkenntnis, die er gewonnen hatte und dank Bashōs freundschaftlicher Geste – und dafür schuldete er Bashō auch etwas.
»Ich muss ein Geständnis ablegen«, sagte Bashō, und Kai machte große Augen. Sogar jetzt schaffte Bashō es irgendwie, zu grinsen, obwohl Kai in den Worten eine Entschuldigung hörte. »Als ich ein Junge war ... habe ich draußen im Wald vor deiner Hütte gewartet ... und wenn du herausgekommen bist, habe ich Steine oder Kuhmist auf dich geworfen und mich dann versteckt.«
Kai strich weiter vorsichtig Salbe auf die Wunden, und sein eigenes Lächeln wurde bei der Erinnerung noch etwas breiter. Er war nie getroffen worden, denn er war immer zu schnell gewesen. »Ich muss auch etwas gestehen. Ich wusste, dass Ihr es wart. Ich konnte Euren Bauch sehen, der hinter den Bäumen hervorragte.«
Bashō versuchte, zu lachen, aber es kam nur ein schmerzhafter, zäher Husten dabei heraus. Kai versuchte, weiterhin zu lächeln, obwohl er nur zu gut wusste, was dieses Geräusch zu bedeuten hatte. Er versuchte, sich einzureden, dass es nur bedeutete, Bashō hätte nicht mehr allzu lange zu leiden ...
Kai warf einen Blick auf Chikara, der sich plötzlich auf dem Absatz herumdrehte und davonging. Kai sah, dass Tränen in den Augen des Jungen standen.
In dem Moment kam Oishi zurück in die Scheune. Er hatte nach den Männern gesehen, die im Haus versorgt wurden. Chikara senkte beschämt den Kopf, denn er sah, wie sein Vater ihn von der Tür her anschaute.
Doch Oishis Gesicht zeigte keine Missbilligung, nur Mitgefühl. Er war nicht hierhergekommen, um zu verurteilen. Er
Weitere Kostenlose Bücher