47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
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Die betende Stimme veränderte sich ebenfalls und wurde von einem undeutlichen Murmeln zu einer eindeutig weiblichen, hohen Stimme, die eine Beschwörung skandierte, bei der es ihm kalt den Rücken hinunterlief.
Der Wind zischte durch die toten Stoppeln auf dem Feld und rüttelte an den Heuhaufen. Isogai kam stolpernd zum Stehen, und seine Augen nahmen eine milchig-weiße Farbe an.
»Isogai!« Oishi lief auf ihn zu.
Kai warf sich auf Oishi und packte seinen Arm. »Eine Falle! Lauft!«
Wütend riss Oishi sich los und ging wieder auf Isogai zu.
Isogai richtete seinen trüben Blick auf Oishi, und eine Stimme, von der man nicht sagen konnte, ob es seine eigene war, erklärte: »Es tut mir leid.« Flammen schossen aus seinem Mund.
Oishi kam schlitternd zum Stehen, riss seinen Arm in die Höhe und im Licht der Flammen flackerte plötzliches Entsetzen auf seinem Gesicht auf.
Die Gestalt, die niemals Kira gewesen war, erhob sich, wirbelte herum und entpuppte sich als Frauengestalt:
Die
kitsune
.
Ihre Stimme wurde lauter, und die Ekstase der Geisterenergie durchströmte sie. Sie begann, den letzten Teil der Beschwörung aufzusagen.
Isogai ging in Flammen auf.
Fuchsfeuer
– Kai hatte es nie zuvor gesehen, aber die
tengu
hatten ihm davon erzählt. Er hätte nie gedacht, dass es so schreckliche Macht hatte. Gemeinsam mit Oishi zog er sich zurück und schirmte sein Gesicht vor dem Inferno ab.
Sie stolperten rückwärts von dem grausigen Bild des Todes ihres Kameraden davon. Isogais Körper war vollkommen von Flammen eingehüllt. Plötzlich blähte er sich auf und zerbarst in zwei Teile. Das Feuer erfasste einen Heuhaufen nach dem anderen wie der Feueratem eines Drachen und setzte auch die Stoppeln dazwischen in Brand. Dadurch wurden die Männer, die auf die Hexe losgegangen waren, in einem Feuerring gefangen.
Als das Feuer vor ihnen aufloderte, verfluchte sich Kai, weil er nicht auf seine Instinkte gehört hatte. Er hatte versucht, nur noch Mensch zu sein, wo doch das Menschlichste an ihm schon immer seine Verdrängung der Wirklichkeit gewesen war.
Verzweifelt richtete er seine Aufmerksamkeit darauf, einen Ausweg zu finden, bevor sie den Flammen nicht mehr entkommen konnten. Das Licht der Feuer blendete ihn aus jeder Richtung. Schwarzer Rauch von den brennenden Heuhaufen machte es noch schwerer, zu sehen, an welcher Stelle die Flammen ihnen den Weg noch nicht vollkommen abgeschnitten hatten. Er hörte die panikerfüllten Stimmen der anderen, die brüllten: »Raus hier!« »Hier entlang...« »Da drüben!«, während sie verzweifelt über das Feld rannten. Der Wind wirbelte jetzt brennende Heubüschel aus den Haufen auf und ließ sie mitten in ihrer kreisförmigen Falle auf die verdorrten Stoppeln fallen. Dadurch wurden weitere Feuer entfacht.
Kai suchte nach Oishi und erhaschte durch die Feuerwand einen Blick auf die Hexe – um die herum sich plötzlich eine Reihe aus Kiras Bogenschützen aufstellte, die sich aus dem Feld hinter dem Schrein erhoben hatten. An ihrer Seite stand der riesige Samurai in der schwarzen Rüstung, der ihn bei Fürst Asanos Turnier besiegt hatte. Das schien ein ganzes Leben her zu sein.
Kai sah die Hexe, und sie sah ihn. Dann kreischte sie vor Lachen, während sie ihre Hand senkte: Kiras Bogenschützen spannten ihre Bögen und schossen auf die Männer, die in den Flammen gefangen waren. Das Gebrüll um ihn herum wurde plötzlich von Schmerzensschreien unterbrochen. Eines der Pferde der Wachen war ebenfalls in dem Feuerring gefangen und schoss plötzlich über das Feld davon. Es war noch panikerfüllter als die Männer, die es bei seinem Ausbruchsversuch zur Seite stieß.
Oishi trat an Kais Seite, und dieser schaute auf den Punkt am anderen Ende des Felds, der am weitesten von den Bogenschützen entfernt war. Plötzlich erkannte er, dass die Heuhaufen dort weiter auseinander standen. Man hatte sie mit Absicht trichterförmig aufgestellt, damit sie in die Falle liefen. Er zeigte darauf und Oishi nickte. Sie rannten los und Oishi brüllte solange jedem, den sie sahen, den Befehl zu, man solle ihm folgen, bis seine Stimme zu einem heiseren Krächzen wurde. Kai unterstützte ihn mit seiner Stimme und hoffte, dass jemand ihnen Folge leistete. Wie tödlicher Regen prasselte die nächste Pfeilsalve auf sie nieder. Jenseits des brennenden Rings hörte er Kampfgeräusche und erkannte, dass die anderen Ronin auch in einen Hinterhalt geraten waren.
Bashō rannte neben ihnen her, und
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