47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
lassen.
Er ist ein wahres Genie, wenn es ums Delegieren ging
, dachte Mitsuke ohne jede Ironie. Sie wusste, dass dies eine unglaublich wichtige Gabe für einen Anführer war. Sie wusste aber auch, wie schnell diese Gabe von einer Stärke zur Schwäche werden konnte.
Sie betrat Kiras Gemächer und verbeugte sich tief vor ihm. Damit bezeugte sie Respekt und Demut – beides würde die Dame Mika ihm niemals gewähren – und versuchte, ihn gleichzeitig an ihre Anmut und Ergebenheit zu erinnern.
Sie hatte ihn nicht enttäuscht
. Der Plan, den sie heute Nacht in die Tat umgesetzt hatte, und der Beweis, den sie bei sich trug, würden sicherlich den Funken zwischen ihnen wieder entfachen ...
Sie hielt das Schwert vor sich. »Es gehörte Oishi, mein Fürst«, sagte sie mit ihrer sanftesten, betörendsten Stimme.
Kira starrte auf das Schwert und erkannte ebenfalls das Wappen. Sein angespanntes, erwartungsvolles Gesicht entspannte sich zum ersten Mal seit einem Jahr, und wahre Erleichterung stand in seinen Augen. Er nahm ihr das Schwert aus den Händen, und sie dachte, dass er jetzt endlich wieder der Mann werden würde, den sie kannte und liebte.
Sie legte ihre Arme um ihn und presste ihr Gesicht an seine Schulter. Sie wollte, dass er das Schwert weglegte und sich mit ihr gemeinsam hinlegte.
Doch er schüttelte sie ab, ging von ihr weg und hielt das Schwert mit seiner Faust umklammert. Er lächelte, hob das Schwert hoch und führte dann einen ungebremsten Schlag aus, als stelle er sich vor, einem Feind den Kopf abzuschlagen. Dann trieb er das Schwert mit aller Kraft in den Boden seines Schlafgemachs und ließ es dort stecken – das zitternde Symbol für seinen besiegten Feind.
Als er sich wieder zu ihr umwandte, sah sie die Gier in seinen Augen, aber nicht nach dem, was sie ihm anzubieten hatte, nicht nach dem, wonach sie sich schmerzlich sehnte ... nicht nach irgendetwas, das sie hätte benennen können.
Er sah sie zerstreut an, als frage er sich, warum sie immer noch mit ausgebreiteten Armen vor ihm stand. »Das hast du gut gemacht. Jetzt ist alles vollkommen.« Er drückte ihre Hände an seine Lippen. Doch in seiner Berührung lag keine Wärme. Langsam ließ er sie wieder los.
»Ich muss mich um einige Dinge kümmern«, murmelte er und drehte sich bereits um. »Du musst müde sein. Warum gehst du nicht in deine Gemächer und schläfst ein wenig?«
Mitsuke war so bestürzt, als hätte er sie geschlagen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich zu verbeugen und zu gehorchen. Sie zog sich aus dem Zimmer und vor ihm zurück und schloss leise die Tür hinter sich. Doch als sie sich umdrehte und durch den einsamen Flur ging, brannte das Fuchsfeuer in ihren Augen. Ihr Mund verzerrte sich zu etwas, das mit menschlichen Gefühlen so wenig zu tun hatte wie der Ausdruck in Kiras Augen mit Liebe.
20
Chikara und Horibe traten mit gezogenen Schwertern aus dem Bauernhaus heraus, als sie sich nähernde Reiter hörten.
Die Sorge auf ihren Gesichtern wurde erst zu Erleichterung und dann zu Entsetzen, als die Männer, die zu einem scheinbar sicheren Sieg ausgezogen waren, geschlagen zurückkehrten. Sie waren halb erfroren, mit Asche und Blut bedeckt und über die erlittenen Verluste verzweifelt und niedergeschlagen. Sie brachten die Verletzten mit, die zusammengesunken in ihren Sätteln saßen oder auf notdürftigen Tragen lagen. Der alte Mann und der Junge rannten auf den Hof hinaus, um ihnen ins Haus zu helfen.
Im Bauernhaus war für die vielen Männer, deren Wunden behandelt werden mussten oder die einfach nur zusammenbrechen und schlafen wollten, nicht genug Platz. Die Scheune wurde zu einem provisorischen Feldlazarett umfunktioniert, in dem die Schwerverletzten behandelt werden konnten. Sie ruhten auf Lagern aus Heu und Stroh. Kleidung und Decken, die die anderen erübrigen konnten, schützten sie vor der Kälte der Nacht.
Oishi überwachte die Behandlung der Männer, die nur leicht verletzt waren und überließ es Kai, sich um Bashōs Wunden zu kümmern. Bashō war immer derjenige gewesen, der die Wunden versorgt hatte, die die Männer sich zugezogen hatten, während sie außerhalb der Burg Ako unterwegs waren ... damals, als es noch eine Burg Ako gegeben hatte und man zu erfahrenen Ärzten heimkehren konnte. Bashō hatte alle Arzneien und Vorräte, die er noch besaß, auf diese letzte Reise mitgenommen, doch niemand hatte erwartet, dass er derjenige sein würde, der sie am dringendsten benötigte – ganz besonders
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