47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
nicht einmal widerwillig. Oishi erinnerte sich daran, wie sie ihn gestern angestarrt hatten – als hätten sie ebenfalls eine Erscheinung von Bishamon gehabt. Doch heute fragte er sich, ob sie nicht einfach erleichtert waren, dass die Ronin aus Ako ohne weitere Vergeltungsschläge abreisten – oder ob sie froh waren, herrenlos zu sein, nachdem sie im Schatten Kiras, einer Hexe und eines Dämons gelebt hatten.
Wie ihre Gründe auch aussahen, er war dankbar für jede Hilfe. Die Gäste waren direkt nach dem Ausbruch der Kämpfe geflohen, und er wusste, dass die Nachricht des Angriffs den Shogun erreichen würde, lange bevor die Ronin Ako erreichten. Je eher er seine Leute und die Dame Asano hier herausholte, umso besser.
Er sah zu Yasuno, der sich ihm näherte und sich verbeugte.
»Alles ist bereit, Herr«, sagte er. »Wir sollten alles, was wir für den Rückweg benötigen, haben.« Er nickte in Richtung der Pferde, wo die Männer bereits aufsaßen. Oishi sah, wie Chikara der Dame Asano in den Sattel half, obwohl etwas in ihrem Lächeln darauf hindeutete, dass sie seine Hilfe lediglich duldete. Ihr Vater hatte ihr schon seit Jahren erlaubt, zu reiten, wann immer sie wollte.
Gestern hatte Mika-
hime
auf den ersten Blick für Oishi wie eine
tennyo
ausgesehen, eine Vision himmlischer Schönheit. Heute war sie gekleidet wie eine Ronin, das Gesicht war vom Puder reingewaschen, und ihr langes Haar war wie das der Männer zurückgebunden.
Seine Mundwinkel hoben sich zu einem schwachen Lächeln, und er schüttelte den Kopf. »Es ist nichts«, versicherte er Yasuno, der ihn fragend anschaute. »Wie geht es Kai? Kann er reiten?«
»Er sagt, er kann.« Yasunos Gesicht sagte deutlich, dass er das jemand anderem nicht geglaubt hätte.
Oishi hatte gesehen, was der Dämon mit der schwarzen Rüstung auf Kais Rücken angerichtet hatte, und stimmte dem schweigend zu.
»Ich kann ihm helfen.« Yasuno lächelte. »Wenn nötig.«
Oishi nickte, sie und gingen in Richtung der wartenden Pferde.
»Oishi-
sama
!«, rief eine vertraute Stimme.
»Kawatake?« Oishi blieb stehen und sah sich überrascht um. Die
Nō
-Darsteller wurden von einer Handvoll Ronin über den Burghof begleitet.
»Wir sind angekommen, und zum Beweis dafür sind wir hier.« Kawatake verbeugte sich vor ihm.
Oishi nickte und lächelte trocken. »Wie ein Buddha, der in der Hölle empfangen wird. Seid ihr alle unverletzt ...?«
»Ja, den Göttern sei Dank.« Kawatake warf einen Blick auf seine Leute und dann auf den Palast, wo gestern Abend die Bühne gestanden hatte. »Und Fürst Kira ist tot. ›Die gen Himmel gerichtete Spucke kommt zu einem zurück‹, sagt man ...« Kopfschüttelnd sah er wieder Oishi an. »Wie auch immer, wir konnten nicht abreisen, ohne Euch zu Eurer bemerkenswerten Vorstellung zu gratulieren. Die Wahrscheinlichkeit, am eigenen Nabel zu knabbern ist größer, als eine Burg mit nur siebenundvierzig Männern erfolgreich einzunehmen.«
Yasuno hob eine Augenbraue. »Warum hast du dann eingewilligt, uns zu helfen?«
Kawatake kicherte. »Nun, meine Philosophie lautet: ›Wir sind Narren, ob wir tanzen oder nicht, also können wir genauso gut tanzen.‹« Er zuckte mit den Schultern. »Und ich bin der Meinung, man sollte sich in dieser Welt gegenseitig helfen.«
»Wir hätten den Fluss niemals ohne die von euch ausgeliehenen Ruder überqueren können.« Oishi verbeugte sich als Zeichen der Erkenntlichkeit. »Wir stehen für immer in eurer Schuld.«
»Oh, dafür gibt es keinen Grund.« Kawatake wedelte mit den Händen. »Ihr müsst uns nur bezahlen. Doppelt oder nichts war die Vereinbarung, nicht wahr? Zuzüglich Schadenersatz.«
Yasuno brach in schallendes Gelächter aus. Oishis Lächeln wurde zu einem Grinsen. »So war die Vereinbarung.« Er nickte Kiras Männern zu, die mit ausdruckslosen Gesichtern neben ihnen standen. »Euer früherer Fürst hat noch eine Schuld zu begleichen. Findet jemanden, der mir Zugang zu seinem Lager verschafft. Ich bin sicher, er würde wollen, dass wir seiner letzten Verpflichtung nachkommen.«
Er sah wieder Yasuno an. »Geht mit ihnen. Sorgt dafür, dass die Darsteller gebührend entlohnt werden und angemessenen Schadenersatz erhalten.« Als er aufsah, bemerkte er, dass die Dame Mika ihr Pferd in seine Richtung lenkte.
»Dann teilt das, was in Kiras Geldschatulle noch übrig ist durch zwei und bring die Hälfte hierher.« Die Dame Mika zügelte ihr Pferd neben ihnen und schaute auf ihre verdutzten Gesichter
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