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47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

Titel: 47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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waren ebenfalls Vater und Sohn oder Brüder. Die meisten hatten irgendwo eine Familie. Sie verbrachten ihre Zeit wie er und Chikara, sprachen über die Heimat und die Vergangenheit, wie stolz sie aufeinander waren und wie sie dafür beteten, dass ihre Familien sich mit Stolz an sie erinnern würden. Sie grübelten nicht über die Zukunft nach dem Zeitpunkt, wenn sie zusammen an Fürst Asanos Grab gestanden hatten.
    Wie Kai und die Dame Mika schienen sie alle zu begreifen, dass diese kurze Zeit zwischen ihrem Racheakt und dem Moment, wenn sie schließlich Burg Ako erreichten, ein kostbares Geschenk war, das nicht verschwendet werden durften,
wabi-sabi
, unerwartete Schönheit im eigentlichen Sinne: Jeder Tag war erfüllt mit
aware
, der schmerzlichen Trauer, die untrennbar mit allen Momenten verbunden ist, in denen die Seele sich im absoluten Gleichgewicht befindet, denn all diese Momente müssen viel zu schnell enden: der letzte Schluck eines feinen Sake, Feuerwerk, das in einer Sommernacht den Himmel über einem See erhellt ... oder einfach das makellose Blau des Frühlingshimmels.
    Und doch hatte Oishi genau deswegen oder trotzdem viel Stoff zum Nachdenken, wenn er nachts wegen seiner Wunden oder der Geräusche der anderen Männer, die im Schlaf stöhnten, wach lag: Fragen, die geklärt werden mussten, Frieden, den er mit sich selbst schließen musste,
giri
und
ninjō
... und ob es überhaupt möglich war, sein ganzes Leben in der kurzen Zeit, die ihm noch blieb, neu zu beurteilen.
    In einer dieser Nächte, als die Ronin auf einer friedlichen Lichtung schliefen, lag er in eine Decke aus Kirayamas Festung gewickelt auf dem Boden und schaute durch die Äste hindurch auf den abnehmenden Mond. Die Brise trug den Geruch von frischem Gras und uralten Pinien heran, und ausnahmsweise fühlte sich sein Körper beinahe wohl. Trotzdem konnte er nicht schlafen – oder er dachte, er könnte es nicht. Dann rollte er sich auf die Seite und sah hinüber zu der Stelle neben sich, an der Mika-
hime
immer schlief.
    Sie war nicht dort.
    Er setzte sich viel zu schnell auf und schnappte vor Schmerz laut nach Luft. Auf der anderen Seite der Lichtung erregte eine Bewegung seine Aufmerksamkeit und sagte ihm, dass sich dort jemand wegen des Geräuschs umgedreht hatte.
Jemand
...
    Die Dame Mika war in eine seidenüberzogene Steppdecke gewickelt und strahlte im Mondlicht, als trüge sie eine Laterne. Sie stand an der abgelegenen Stelle, an der Kai lag und bewachte ihn sogar jetzt wie die Göttin Kannon. Kai schlief wie immer weit weg von den anderen. Entweder war es Gewohnheit, oder weil er nur zu gut wusste, wo die Frau schlief, die er liebte.
    Wie lange stand sie schon dort und schaute schweigend auf den schlafenden Kai? Hatte sie das schon zuvor getan und wie oft?
Kai schien fest zu schlafen, obwohl Oishi bezweifelte, dass es jemandem gelingen würde, Kai im Schlaf zu überraschen, egal wie erschöpft dieser war.
    Dennoch machten weder er noch Mika Anstalten, ihrem Verlangen nachzugeben, das bei beiden in jedem wachen Moment und sogar jetzt so offensichtlich war. Liebe hatte ihre Seelen ihr ganzes Leben lang verbunden, obwohl sie in einer Welt lebten, die ihnen sogar das Recht, offen miteinander zu sprechen oder einfach nur Zeit miteinander zu verbringen, verweigerte. Es verbot ihnen bei Todesstrafe, zu heiraten oder jemals die sinnliche Intimität zu erfahren, die die höchste Form der körperlichen Liebesbezeugung war.
    Oishi hatte die sozialen Regeln, die Kai und die Dame Mika trennten, immer akzeptiert und befolgt – genau wie Fürst Asano dies bis zum Ende getan hatte, trotz seines unerschütterlichen Glaubens an Kais Charakter. Und dennoch, hier und jetzt, in diesem Raum zwischen den Grenzen der Welt, die er immer gekannt hatte, sah Oishi nur zwei Menschen, die sich liebten – zwei Menschen, für die Vergangenheit und Zukunft bedeutungslos waren. Doch sie nutzten ihre Freiheit nicht aus, obwohl es möglich gewesen wäre ...
    Warum nicht?
, dachte er und hinterfragte nicht einmal, warum er so etwas dachte. Er erinnerte sich an die Freuden, als sein Körper mit dem seiner Frau im Liebesakt vereint gewesen war, dachte an seinen Sohn, der aus ihrer Leidenschaft entsprungen war. Körperliche Liebe war immer untrennbar mit emotionaler Liebe verbunden, sie war natürlich und so lebensnotwendig wie das Atmen ...
    Mika schaute noch immer wie erstarrt in seine Richtung, als wüsste sie nicht, was sie tun sollte. Leise legte Oishi sich

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