47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
manchmal, dass »die Zunge mehr zu fürchten sei als das Schwert«, und diese Tatsache war dem
bakufu
nicht entgangen.
Oishi war nicht sehr erpicht darauf, die Geschichte schneller in Edo zu verbreiten als unbedingt nötig, doch er protestierte nicht. Es kam ihm in den Sinn, dass eine Flut von Geschichten über die Rache der Ronin den
Inu-Kubō
und seine Sittenrichter erzürnen würde – und diese trotzige Erinnerung an ihre Tat würde wohl die einzige Genugtuung bleiben, die sie jemals dem Shogun gegenüber erhalten würden, dessen beispiellose Gleichgültigkeit verheerende Folgen für die Leben von Fürst Asano, der Dame Mika und ihre eigenen gehabt hatte.
Schließlich erreichten sie die Grenzen von Kiras Ländereien. Dort kam das unvermeidliche Ende der gemeinsamen Reise, und die Ronin trennten sich von der Schauspielertruppe, um ihre unter keinem guten Stern stehende Reise allein fortzusetzen. Kawatake und seine Schauspieler gingen nach Edo im äußersten Nordosten. Sie konnten problemlos über die Hauptstraßen reisen und standen bereits unter Zeitdruck. Ako lag südwestlich, und die Ronin konnten keine Straßen benutzen, auf denen man sie an Kontrollpunkten anhalten würde.
Alle, die sich kennenlernen, müssen getrennte Wege gehen ... und als die Ronin sich von den Schauspielern verabschiedeten, geschah dies mit erstaunlich großem Bedauern.
Sobald die Darstellergruppe sie verlassen hatte, sahen die jetzt allein reisenden Ronin sich noch mehr Arbeit gegenüber, um ihr Überleben – insbesondere das der Verwundeten – zu sichern. Doch Oishi war den Darstellern auf eine Weise dankbar, die er nie erwartet hatte. Er erkannte, dass seine Männer aufgrund der bisher erhaltenen Hilfe jetzt besser in der Lage waren, die Anforderungen zu bewältigen.
Es überraschte ihn ebenfalls, zu sehen, dass die Stimmung in der Gruppe während der Reise durch das neu erwachte Land in Richtung Heimat immer friedlicher wurde.
Die ersten Frühlingsboten hatten sie begrüßt, nachdem sie Burg Kirayama verlassen hatten, und waren inzwischen zu einer Fülle blühender Bäume und Wildblumen geworden. Neues Gras und neu bepflanzte Felder verliehen der Erde einen Hauch von Grün, den Oishi zu keiner anderen Jahreszeit sah. Sie ritten stetig nach Süden in Richtung des Ozeans. Die Wärme und frischen Farben hatten nach allem, was die Ronin auf ihrem Weg zu Kiras Festung erduldet hatten, eine ganz eigene heilende Wirkung auf sie. Auf dem Weg zum Angriff auf Kira hatten sie ständig unter dem Druck gestanden, sich verstecken zu müssen. Jetzt mussten sie auf die Verwundeten Rücksicht nehmen, und Kai fand einen einfacheren Weg nach Hause über wenig benutzte Nebenstraßen. Hin und wieder erhielten sie in abgelegenen Dörfern und Bauerhöfen oder bei Handwerkern Vorräte, bevor ihre zuneige gingen. Die Dame Mika hatte eine Handvoll von Kiras Silber- und Kupfermünzen zurückbehalten, um für Nahrung und Arzneimittel zu bezahlen. Das führte dazu, dass die erstaunten Dorfbewohner, die sie mit Entsetzen kommen sahen, ihnen mit erleichterten Gesichtern Gebete nachriefen, wenn sie wieder davonritten.
Oishi hatte sich Sorgen gemacht, ob Kai es durchhalten würde, während der ganzen Heimreise ihr Führer zu sein. Seine eigenen Wunden bereiteten ihm selbst bei der Reisegeschwindigkeit, die die Schwerverwundeten überleben konnten, genug Schmerzen, und er kämpfte gegen Erschöpfung an. Doch die Hexenvernichterin Mika ritt an seiner Seite und war so selbstbewusst und klaglos wie die legendäre Tomoe Gozen, die mit ihrem geliebten Yoshinaka ritt, und so ließ Kai sich sein Unbehagen nur selten anmerken.
Die beiden schienen in ihrer eigenen Welt zu sein ... dort bedeuteten Ermüdung und Schmerz genauso wenig wie Standesunterschiede, solange sie sich in die Augen schauen, hin und wieder ein paar Worte wechseln und sich gegenseitig versichern konnten, dass sie wirklich zusammen waren.
Oishi erkannte, dass der Anblick der beiden ihn nicht länger verärgerte. Wie so viele Dinge, derer er sich früher sicher gewesen war, war die Natur der Liebe nicht länger etwas Abstraktes für ihn. Die beiden zu sehen, ließ ihn nur traurig und sehnsüchtig an Riku denken.
Er begann, so oft wie möglich neben Chikara zu reiten und mit ihm über Dinge zu reden, über die sie früher nie gesprochen hatten. Er lernte seinen Sohn ganz neu kennen, denn früher hatte er seine Zeit mit ihm nur dazu genutzt, ihn die Pflichten eines
karō
lehren.
Einige andere Ronin
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