47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
als sein Leben. Während sie mit demütig gesenktem Kopf dastanden – weil er versagt hatte. Er hatte Schande über Ako und das Haus Asano gebracht, durch die Schande seiner bloßen Existenz und dadurch wie sie enthüllt worden war.
Er erinnerte sich an die feste Hand des Shoguns und daran, wie seine Finger sein geschundenes Gesicht ergriffen und gedreht hatten. Die mit Lederhandschuhen bekleideten Finger hatten seinen blutenden Mund so unbarmherzig untersucht, als wäre er wirklich ein Tier … Das Tier, zu dem selbst Fürst Asano ihn erklärt hatte und ihm damit vor der ganzen Welt seine Menschlichkeit entzogen hatte. Und vor Mika … die sich in den Staub geworfen hatte, um für das Leben dieses Tieres zu betteln. Sie hatte ihre Ehre weggeworfen und den guten Namen ihres Vaters entehrt …
Plötzlich erlosch die Kerze, und mit ihr verschwand das schwache Licht, so klein und winzig wie das eines Glühwürmchens, das ihm Halt in der Realität gab.
In den mondlosen Tiefen seines Verstands, jenseits der Ufer der Erinnerungen und der Träume, färbte das Delirium noch einmal den endlosen Horizont und erleuchtete die See der Dimensionen mit schimmernden Visionen aus Blutrot und Eisblau, die immer heller wurden … Bis sich das, was substanzlos und formlos gewesen war, zu mitleidlosen Augen verfestigte, die zu real waren, um Phantasmen zu sein.
Ich habe keine Angst vor dir
. Er sah ihr in die Augen, aber sie blickten geradewegs durch ihn hindurch, als wäre er selbst ein Phantom.
Aber als der Geist der
kitsune
wie ein kalter Wind durch seinen blies, flüsterte sie: »Das solltest du aber.« Er zuckte vor etwas zurück, das weitaus schlimmer war als die Angst vor der Entdeckung.
Verrat, Betrug, ein Fluch, der auf dem Haus Asano lastete
… Was es für ein Fluch war, wusste er nicht. Er wusste nur, dass alles, was er geträumt hatte, wahr war. Alles, was er zu wissen glaubte, war falsch. Und weil er selbst vor so langer Zeit verflucht worden war, gab es absolut nichts, was er dagegen unternehmen konnte …
Der Tod aller Hoffnung verschlang sein Bewusstsein und zog ihn zurück in den Abgrund.
8
Der Morgen kam allzu schnell, obwohl es allen Mitgliedern des Hauses Asano nach den Ereignissen der vergangenen Nacht so schien, als würde die Sonne vielleicht niemals wieder aufgehen.
Aber mit dem Morgen kam auch das Urteil, so schnell und unerbittlich wie die Klinge eines Schwertes.
Fürst Asano kniete vor dem Shogun in der Großen Halle seiner eigenen Burg. Seine Resignation hätte auch als meditative Ruhe durchgehen können, während die Berater des Shoguns die Köpfe zusammensteckten, debattierten und sich miteinander berieten, als gäbe es über die Vorgänge der letzten Nacht auch nur den geringsten Zweifel.
Endlich beugte sich einer der Berater vor und flüsterte dem Shogun etwas ins Ohr. Der Herrscher schien die Worte für einen langen Moment zu bedenken, bevor er sagte: »Das Gesetz ist vollkommen klar. Die Strafe ist der Tod.«
Fürst Asano glaubte fast, Bedauern in seiner Stimme zu hören. Vielleicht weil der Shogun nicht so häufig gezwungen war, den Tod eines
daimyō
anzuordnen, in dessen Burg er gerade Ehrengast war – zumindest solange er noch nicht abgereist war.
»Aufgrund Eures Ranges und Eurer Verdienste um Ako werde ich Euch erlauben, durch eigene Hand zu sterben. Ihr könnt im Tod den gleichen Mut und die gleiche Würde beweisen wie einst im Leben. Das Urteil muss sofort ausgeführt werden.«
Fürst Asano verbeugte sich. Er akzeptierte dieses Verdikt mit dem Mut und der Würde, die er nie wirklich verloren hatte. Auch wenn die schnelle Ausführung des Richterspruchs ein zusätzlicher Schlag war. Normalerweise wurde einem
daimyō
eine bestimmte Anzahl von Tagen oder Wochen gewährt. Genug Zeit, um sein Erbe zu regeln und seine Familie und Freunde auf den Abschied vorzubereiten, bevor er
seppuku
beging.
Er erhob sich und wurde von den Wachen des Shoguns direkt in das Vorbereitungszimmer eskortiert, das man bereits für ihn eingerichtet hatte. Dort würde er kurz Zeit haben, um sein formelles Todesgedicht zu schreiben und sich für das Bevorstehende zu sammeln.
Die Wände waren mit wunderschönen Wandschirmen dekoriert, die Bilder aus der langen und ehrenhaften Geschichte des Asano-Clans zeigten. Er kniete vor dem Schreibtisch, auf dem feines weißes Papier, ein Pinsel, Wasser und ein Tuschestein seine letzten Gedanken erwarteten. Er lehnte sich für einen Augenblick zurück und ließ den Blick
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