47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
tiefsten Ängste. Der Ehrgeiz und der Neid, die in seinem Blut gebrannt hatten, waren schon viel zu lange von seiner menschlichen Schwäche zurückgehalten worden. Ihr Geliebter würde Shogun werden, konnte es aber nicht allein schaffen. Sein Geist war zu schwach – er hätte niemals den Mut, seinen geheimsten Wünschen nachzugeben. Aber das war in Ordnung, denn er hatte ja sie. Und sie besaß genug Furchtlosigkeit und Stärke für sie beide. Sie waren perfekt füreinander, auf jede nur erdenkliche Art …
Fürst Asano lag in einem tiefen und erschöpften Schlaf. Der Tag hatte seinen Körper und Geist an ihre absoluten Grenzen gebracht. Er rührte sich nicht einmal, als die Schatten, die die schwache Laterne neben seinem Bett an die Wände warf, sich über ihm zu bewegen begannen. In der dunkelsten Ecke des Zimmers verwandelte sich die Fuchshexe in eine Kreatur aus Schatten, die an den Wänden entlangkroch, bis sie direkt über ihm war.
Sie bewegte sich an der Wand herab wie ein Albtraum, bis sie einen Punkt direkt über seinem Kopf erreicht hatte. Dann öffnete sie ihre verschränkten Hände und ließ die fette rote Spinne frei, an deren Füßen noch Kiras Blut klebte.
Die Spinne bewegte sich nach dem Willen der Hexe und hinterließ Spuren des magischen Bluttranks, als sie wie der Kuss des Todes über Asanos Lippen lief. Über ihm sah Mitsuke aufmerksam zu und flüsterte:
»Vater …«
Fürst Asano richtete sich kerzengerade in seinem Futon auf. Seine Augen waren weit aufgerissen und starrten erschrocken ins Zimmer. Er tastete mit der Hand nach seinem Schwert, das immer neben seiner Bettstatt lag, während er sich nach Eindringlingen oder Anzeichen einer Bewegung umsah.
Aber da war nichts … niemand außer ihm.
Es war ein Albtraum gewesen, nichts weiter
. Er rieb sich das Gesicht, wischte das Gefühl fort, das noch aus dem Traum übriggeblieben war. Er wollte sich gerade wieder hinlegen, war zu erschöpft, um weiter darüber nachzudenken.
Aber dann hörte er einen erstickten Schrei irgendwo aus der Nähe und hörte Mikas Stimme, die verzweifelt rief: »Vater!«
Nein … das bildete er sich ein
. Es waren nur seine Schuldgefühle, die ihm einredeten, er hätte seine Tochter gehört.
»Vater!«
»Mika?« Das war ihre Stimme, da war er sich sicher.
Das war kein Traum
– sie rief wieder und wieder, und mit jedem Mal steigerten sich die Lautstärke und ihre Angst. Asano stand auf, nahm sein Schwert und verließ den Raum.
Er rannte durch seinen Garten, folgte den ängstlichen, schmerzerfüllten Schreien seiner Tochter und rief: »Mika!«
In Mikas Gemächern zog er die Tür zu ihrem Schlafzimmer zur Seite und sah, wie Fürst Kira über seiner Tochter kauerte. Er hielt sie fest, während er versuchte …
Mit einem Wutschrei zog Asano sein Schwert.
Kira sah auf, ließ Mika los und versuchte, dem Zorn ihres Vaters zu entkommen. Ein Schlag von Asanos Schwert erwischte seine Schulter und er brach auf dem Boden zusammen, in seinen Augen stand nackte Angst.
Fürst Asano hob das Schwert in blinder Wut über den Kopf, um den Mann niederzustrecken, der es gewagt hatte, seine Tochter anzugreifen. Doch plötzlich …
…
verschwand die Szene vor seinen Augen, wie ein Traum, auf den das Sonnenlicht fiel
.
Er fand sich plötzlich in Fürst Kiras Gemächern wieder, nicht bei seiner Tochter. Nur Fürst Kira war im Zimmer und kauerte auf dem Boden. Sein Arm war blutüberströmt und er rief: »Wachen!«
Mika war nirgendwo zu sehen.
Fürst Asano drehte sich um, versuchte, den Albtraum fortzublinzeln, und sah zur Türöffnung hinüber, die sich schnell mit Menschen füllte. Ungläubig erkannte er Mika unter ihnen. Sie war unversehrt, aber sie riss die Augen vor Schreck weit auf, als sie ihn mit gezogenem Schwert über dem blutenden Kira stehen sah. Fürst Asano ließ sein
katana
sinken. Er war ebenso fassungslos wie alle anderen, die in der Tür standen und die Szene betrachteten … Doch er war weitaus mehr über die ungeheure Tragweite seiner Tat erschrocken. Er sah sich zu Kira um, und seine Miene füllte sich mit Unglauben. Er wehrte sich kaum, als Kiras Wachen ihn ergriffen und aus dem Zimmer zerrten.
»Vater!« Mika versuchte, sich ihren Weg durch die Menge auf dem Burghof zu bahnen, um zu ihm zu gelangen, aber die Wachen des Shoguns hielten sie zurück.
Als Fürst Asano seine Tochter hörte, begann er, mit seinen Häschern zu ringen, um zu ihr zu gelangen. Aber plötzlich stand Oishi vor ihm, hob die Hände und
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