47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
über die Bilder streifen. Asano fand Trost in dem Wissen, dass seine Entschlossenheit bei der Ausführung dieses letzten Aktes jeden Fleck auf der Familienehre tilgen würde.
Ein Leben währte nur eine Generation, ein guter Name dagegen ewig
. Es lag keine Ehre im Protest oder der Behauptung, dass die Ereignisse nicht seiner Kontrolle unterlegen hatten. Es war geschehen. In seinem Land. In seiner eigenen Burg. Es lag in seiner Verantwortung, die Konsequenzen zu tragen.
In Gedanken hatte er bereits sein Abschiedsgedicht verfasst. In der letzten Nacht, als er schlaflos dalag und auf die Morgendämmerung wartete. Er brachte es zu Papier und achtete dabei darauf, mit fester Hand und flüssigen Bewegungen zu schreiben, wie damals als Schuljunge. Er ließ viele Dinge unvollendet zurück – und zu viele, die schlicht und einfach unverständlich waren. Aber heute würde er nichts tun, das weiteres Leid über Ako oder weitere Schande über den Namen Asano bringen konnte.
Er hätte seine letzten Stunden mit Meditation und Gebeten verbringen sollen … Aber er hatte keine Zeit für sich selbst. Er hatte die Wachen gebeten, seinen
karō
zu rufen, um so viele Angelegenheiten wie möglich mit Oishi zu besprechen und das Wohl und die Sicherheit von Ako … und Mika sicherzustellen. Man hätte ihm für diese Arrangements Zeit einräumen sollen – aber vielleicht hätte er sie schon Jahre zuvor treffen sollen. Nach dem Tod seiner Frau hatte er nur allzu schmerzhaft die Vergänglichkeit allen Lebens begriffen.
Nichts war so sicher wie die Veränderung
…
Oishi wartete wie befohlen, als er die Schiebetür öffnete. Die Wachen hatten dem
karō
die Schwerter abgenommen, aber ihm erlaubt, die Schriftrollen, Wirtschaftsbücher und anderen Dokumente mitzubringen, die er unter dem Arm trug. Er hatte nicht einmal einen Assistenten mitgebracht, um ihm zu helfen, die Sachen zu ihrem letzten Treffen zu tragen.
Oishi sah aus, als hätte auch er in der letzten Nacht kein Auge zugetan – und hatte es offensichtlich auch nicht. Er hatte eine lange Liste von Themen, Fragen und Punkten dabei, die er in der vergangenen Nacht zusammengestellt hatte. Neben allen anderen Angelegenheiten, um die er sich kümmern musste.
Sie erledigten die meisten grundlegenden Dinge sehr schnell, mit der Leichtigkeit zweier Männer, die schon seit Jahren zusammenarbeiteten und wussten, was in dem anderen vorging. Fürst Asano erinnerte sich für einen kurzen, schönen Moment an die vielen Partien
shōgi
und
go
, die sie über die Jahren gespielt hatten und deren Ausgang ihn damals überzeugt hatte, dass sein Burgvogt und Berater in anderen Zeiten sein bester General gewesen wäre. Er war ein Stratege, auf den man bauen konnte.
Im friedlichen Zeitalter des Edo-
bakufu
hatte Oishis Sinn für Details und seine Fähigkeit, beim ersten Schritt bereits hundert Schritte weiter zu denken, ihn zu einem ausgezeichneten
karō
gemacht. Er war dafür verantwortlich, die Vielzahl von Aufgaben zu überwachen, die nötig waren, um die Burg Ako und ihre Ländereien sicher und am Laufen zu erhalten – und sicherzustellen, dass die Untergebenen, an die er diese Aufgaben delegierte, sie zu seiner Zufriedenheit ausführten. Es war eine ererbte Position, doch die Geschichte zeigte, dass die Angehörigkeit zum Stand der Samurai noch lange nicht garantierte, dass sich der Sohn jedes Mannes für diese Aufgabe eignete.
In diesem Zeitalter waren Essays, die von Männern verfasst wurden, die noch nie eine Schlacht erlebt hatten, alles, was vom Weg des Kriegers übrig geblieben war. Eine schöne Handschrift war einem Samurai nützlicher als Geschick beim Schwertkampf. Der Oishi-Clan bildete eine löbliche Ausnahme und produzierte verlässlich Erben, die ihre Fähigkeiten den weniger heroischen Taten anpassen konnten, die ebenso wichtig für ihre Heimat waren.
Irgendwann war der Moment der Stille gekommen, den beide insgeheim gefürchtet hatten, als Oishi seine letzten Listen und Dokumente beiseitelegte … Die lange Pause, die den beiden Männern verriet, dass es nichts mehr über trockene Zahlen, oder die Zukunft, die einer von ihnen nicht mehr erleben würde, zu sagen gab. Fürst Asano blickte wieder auf die bemalten Wandschirme, die sie umgaben. Er blickte in die Vergangenheit und schöpfte daraus Kraft. Oishi blickte nach unten und versuchte, nicht auf das Gedicht seines Herrn zu schauen, das auf dem Schreibtisch lag. Er wollte kein einziges Wort, keinen Satz lesen, bevor die Zeit
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