47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
zumute ist, welcher verurteilt ist, in diesem Loch zu verschmachten.“
„Nein, Ihr wißt dies noch lange nicht. Das Verschmachten muß Euch ernstlich an die Seele treten, dann erst könnt Ihr es wissen.“
„Meinetwegen! Aber es ist genug für jetzt!“
„Es hat ja erst begonnen! Wartet noch eine Weile, nämlich einige Tage oder einige Wochen; dann wollen wir miteinander abermals über dieses Thema sprechen.“
Da stieß Josefa einen unartikulierten Schrei aus. Es war ihr die volle Erkenntnis dessen gekommen, was ihr bevorstand.
„Señor, Ihr seid ein Ungeheuer!“ rief sie.
„Nicht schlimmer als Ihr!“ antwortete er.
„Ihr dürft uns nicht verschmachten lassen!“
„Wer will es mir verwehren?“
„Ich kann es nicht aushalten!“
„Ganz richtig!“ lachte er. „Das Verschmachten hält niemand aus!“
„Ich bin ja bereits krank!“
„Es ist Euch zu gönnen!“
„Habt doch Erbarmen mit uns!“ bat Cortejo.
„Erbarmen? Habt Ihr Erbarmen mit mir gehabt? Habt Ihr Erbarmen gehabt mit einem einzigen Eurer vielen Opfer? Ich habe geschmachtet nach der Stunde der Rache. Sie ist gekommen, spät, sehr spät; aber es soll kein Gott und kein Teufel mir wehren, sie zu genießen. Zum Sündigen habt Ihr den Mut, die Strafe zu tragen fehlt Euch die Courage. Schämt Euch! Nehmt Euch ein Beispiel an den vieren hier, welche zu stolz sind, um einen Laut von sich zu geben!“
„Wenn Ihr mich loslaßt, erhaltet Ihr alle meine Reichtümer“, rief Cortejo in gräßlicher Angst.
„Zu diesem Handel ist es noch zu zeitig. Übrigens habe ich jetzt keine Zeit mehr, mit Euch zu verkehren. Euer Gefängniswärter kommt. Klagt ihm die Ohren voll!“
Er schritt von dannen und traf auf seinen Neffen, welcher Brot und Wasser brachte. Er blieb bei ihm stehen und sagte:
„Cortejo erhält heute nichts und seine Tochter auch nichts.“
„Aber die anderen?“
„Ja. Sie bekommen Brot und Wasser hinein in die Zellen, sodaß sie beides mit den Händen erreichen können.“
„Darf ich mit den Gefangenen sprechen?“
„Kein Wort. Du kommst mir sogleich nach.“
Er stieg nach seiner Wohnung empor, wo der Neffe sich sehr bald einstellte. „Was sagten sie noch?“ fragte er ihn.
„Die vier waren still. Die beiden anderen aber heulten und jammerten, daß mich meine Ohren schmerzten. Sollen sie wirklich unten bleiben?“
„Natürlich!“
„Um da zu sterben?“
„Das wird sich finden. Aber sagtest du nicht, daß die vier ihre Pferde in das Gebüsch geschafft hätten?“
„Allerdings.“
„Die Tiere könnten zum Verräter werden.“
„Sie müssen fortgeschafft werden. Aber wohin?“
„Geh erst hin, um ihnen alles abzunehmen, dann schaffst du sie hinaus auf das weite Feld und läßt sie laufen.“
„Es ist wohl schade um sie. Man könnte sie ja verkaufen.“
„Du könntest dadurch leicht unglücklich werden. Jetzt ist es Nacht. Du hast Zeit, meinen Befehl auszuführen. Begnüge dich mit der Beute, die dir bereits geworden ist. Morgen magst du dann sehen, ob eine Spur der Señorita Emilia zu finden ist.“
Der Neffe blickte ihn erstaunt an.
„Der Señorita? Was hast du mit dieser zu schaffen?“ fragte er.
„Geht das dich etwas an?“
„Ja, sobald ich nämlich nach ihrer Spur suchen soll.“
„Nun gut, so will ich es dir sagen, daß ich sehr viel Grund habe, mich zu erkundigen, welches Unglück ihr widerfahren ist.“
„Warum?“
„Weil – weil sie deine Tante werden wird.“
Der Neffe öffnete den Mund wie einer, dem vor Erstaunen der Verstand stillsteht. Dann, als er sich wieder gefaßt hatte, fragte er:
„Meine Tante, sagst du?“
„Ja.“
„Das wäre ja deine Frau?“
„Allerdings!“
„Das soll wohl heißen, daß du sie heiraten willst?“
Der Alte schlug sich an die Brust und antwortete:
„Natürlich! Sie liebt mich ja!“
„Alle Teufel, hat sie dir das gesagt?“
„Ja.“
„Selbst gesagt? Mit ihrem eigenen Mund gesagt?“
„Freilich! Und ich habe es mit meinem eigenen Gehör vernommen.“
„So ist an deinem Gehör irgend etwas aus dem Leim gegangen.“
„Ah! Glaubst du etwa, daß ich nicht heiraten könnte?“
„O, das glaube ich ganz gern.“
„Und zwar Señorita Emilia heiraten?“
„Ja, wenn sie nämlich mitmachte.“
„Du denkst, sie gäbe mir einen Korb?“
„Ich bin davon überzeugt!“
„So bist du der größte Esel, den es gibt. Du wirst in einigen Tagen eine Tante haben, um welche dich ein jeder beneiden wird.“
„Warum nicht gleich?
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