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47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

Titel: 47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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‚Geierschnabel‘.
    „Was ist denn drin in dem Sack?“
    „Fünf Hasen.“
    „Hasen? Donnerwetter! Wo sind sie her?“
    „Der Doktor hat gestern Schlingen gelegt, und heute vor Tagesanbruch gingen wir, sie abzusuchen. Es hingen diese fünf darinnen.“
    Der Kleine war ganz starr. Er brachte kein einziges Wort hervor. Ludewig machte ein grimmiges Gesicht und sagte:
    „Also auch Schlingensteller. Das verschlimmert die Sache bedeutend. Fünf Hasen hat er zu tragen, da mag der Doktor den Bock auf sich nehmen.“
    „Aber es ist ja Lüge, lauter infame Lüge!“ stieß jetzt endlich der kleine Mann hervor. „Er hat die Hasen selbst gefangen.“
    „Das wird sich alles, alles finden“, meinte Ludewig, indem er sich niederbückte, um die Läufe des Bockes zusammenzubinden.
    „Herr Straubenberger, ich verklage Sie.“
    „Meinetwegen.“
    „Ich lasse Sie bestrafen.“
    „Kümmert mich nicht. Ich tue meine Pflicht dahier.“
    „Aber mein ganzer guter Ruf ist zum Teufel.“
    „Die Hasen und der Bock auch. Hier ist er, da.“
    Er hing das Tier dem Kleinen über den Rücken.
    „Heiliger Ignatius!“ jammerte dieser. „Jetzt muß ich unschuldiges Menschenkind auch noch das schwere Viehzeug schleppen!“
    „Der Bock ist noch lange nicht so schwer wie die anderen alle, die du schon auf dem Gewissen hast“, sagte ‚Geierschnabel‘.
    „Mensch! Kerl! Ich vergifte dich, wenn ich erst wieder frei bin!“
    „Sapperlot, das wird immer schlimmer“, meinte Ludewig. „Also auch ein Giftmischer! Da wollen wir nur machen, daß wir nach Rheinswalden kommen. Der Herr Oberförster wird sich wundern, was für Galgenvögel ich ihm bringe.“
    Er gab den beiden einen Stoß, und der interessante Marsch begann. Der Doktor bat, drohte, jammerte und klagte umsonst. Ludewig war ganz darauf versessen, seine Pflicht zu tun, und so sehr sich der Kleine auch sträubte, der kräftige Amerikaner zog ihn ohne große Anstrengung mit sich fort.
    Um dieselbe Zeit befand der Oberförster sich in seinem Arbeitszimmer. Er war erst vor kurzem aufgestanden und trank seinen Morgenkaffee. Seine Laune war keine gute. Die alten, sorglosen Zeiten waren überhaupt dahin, es gab kein Glück, keine rechte Freude mehr. Der Brief Sternaus war zwar eingetroffen und hatte einen unendlichen Jubel hervorgerufen, aber das darauffolgende lange Schweigen hatte annehmen lassen, daß die erlöst Geglaubten doch noch dem Unglück verfallen seien.
    Da ertönten draußen rasche Schritte. Ludewig trat ein und blieb in strammer Haltung an der Tür stehen, um die Anrede des Oberförsters zu erwarten.
    „Was bringst du?“ fragte dieser kurz und mürrisch.
    „Wilddiebe“, lautete die noch kürzere Antwort.
    Da fuhr der Alte von seinem Stuhl auf.
    „Wilddiebe?“ fragte er. „Höre ich recht?“
    „Zu Befehl, Herr Hauptmann, Wilddiebe“, bestätigte Ludewig.
    „Wie viele?“
    „Zwei.“
    „Heiliger Hubertus, endlich einmal zwei! Na, das ist Wasser auf meine Mühle“, sagte der Alte. „Die spanne ich auf die Folter und dehne sie so weit aus, daß ihre Beine von Breslau bis nach London reichen. Wo hast du sie?“
    „Unten im Hundeschuppen.“
    „Doch fest?“
    „Sehr. Sie sind angebunden, und zwei Wächter stehen vor der Tür.“
    „Wer hat sie attrappiert?“
    „Ich selbst dahier“, lautete die Antwort, welche der brave Ludewig im Ton des stolzesten Selbstbewußtseins gab.
    „Du selbst? Ah! Wo denn?“
    „An der Mainzer Straße.“
    Es verstand sich von selbst, daß das Einbringen zweier Wilddiebe bei dem Oberförster das allergrößte Interesse erregte. Er stand vor Ludewig und las ihm jede Antwort bereits, ehe er sie hörte, vom Mund weg.
    „Erzähle!“ befahl er.
    „Es war eine Frische gefallen, Herr Hauptmann, und da machte ich mich auf die Beine, um in aller Früh die bekannten Wechsel zu begehen. Als ich nun so die Straße hinabtrollte, fällt plötzlich ein Schuß, ein Schuß aus einer fremden Büchse, wie ich sogleich hörte. Ich schleiche mich rasch hin und erblicke einen Kerl, der unseren schönsten Bock dahier geschossen hat. Er kniete vor ihm, um ihn aufzubrechen.“
    „Dem Kerl sollen neunundneunzig Donnerwetter in die Haut fahren. Kanntest du ihn?“
    „Nein. Er ist ein Wildhändler aus Frankfurt.“
    „Ah! Seit wann schießen diese Kerls ihre Böcke selber?“
    „Oh, er hat ihn gar nicht selber geschossen, sondern der andere.“
    „Kanntest du den?“
    „Sehr, sehr gut sogar. Ich bemerkte ihn nicht sofort, bekam ihn aber doch

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