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47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

Titel: 47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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müsse, wenn er noch mit fortkommen wolle. Er eilte hinaus und bemerkte mit einem raschen Blick seiner Augen, daß nur ein einziges Coupé erster Klasse vorhanden sei. Der Schaffner, an welchen er sich wendete, blickte ihn erstaunt an.
    „Erster Klasse wollen Sie fahren?“ fragte er.
    „Ja.“
    „Wirklich erster?“ wiederholte der Mann, der es gar nicht begreifen konnte, daß ein so gekleideter Mensch sich der besten Klasse bedienen wolle.
    „Zum Donnerwetter, ja doch“, antwortete der Gefragte.
    „Haben Sie ein Billet?“
    „Das versteht sich!“
    „Zeigen Sie einmal!“
    ‚Geierschnabel‘ gab ihm das Billet. Der Schaffner überzeugte sich, schüttelte den Kopf und meinte dann:
    „Na, da steigen Sie schnell ein, es läutet soeben zum dritten Mal.“
    Der sonderbare Passagier wurde samt Büchsenfutteral, Leinwandsack und Posaune in das Coupé geschoben. In demselben Augenblick pfiff die Maschine, die Tür wurde zugeschlagen, und der Zug setzte sich in Bewegung.
    „Kreuzmillion“, tönte es dem Jäger entgegen. „Was fällt Ihm ein?“
    Der, welcher diese Worte ausrief, der einzige Passagier, der schon in dem Coupé saß, war kein anderer als Leutnant Ravenow.
    „Geht Ihn nichts an“, antwortete ‚Geierschnabel‘ kurz.
    Er legte seine Sachen ab und streckte sich behaglich auf das Polster nieder. Damit aber war der einstige Offizier keineswegs einverstanden.
    „Hat Er denn ein Billet erster Klasse?“ fragte er.
    „Geht ihn abermals nichts an!“ lautete die Antwort.
    Da riß der Leutnant das Fenster auf, um den Schaffner zu rufen, welcher aber bereits in seinem Dienstcoupé verschwunden war. Er wendete sich wütend zurück und sagte:
    „Das geht mich wohl etwas an. Ich muß und will mich überzeugen, ob Er wirklich berechtigt ist, hier einzusteigen.“
    „Sei Er doch froh, daß ich Ihn nicht danach frage. Es ist sogar eine Ehre für Ihn, daß ich mich herablasse, mit Ihm zu fahren.“
    „Kerl, nenne Er mich nicht Er. Wenn Er erster Klasse fahren will, so hat Er sich nach den in derselben gebräuchlichen Umgangsform zu richten, sonst lasse ich Ihn hinausschaffen.“
    „Ah, so hat er ein Billet erster Klasse genommen, weil Er sich der in dieser gebräuchlichen Umgangsformen befleißigt? Wer hat mit dem ‚Er‘ begonnen, Er oder ich? Wenn Er mich provozieren will, so werde nicht ich hinausgeschafft, sondern Er selbst ist es, den ich an die Luft setzen lasse.“
    „Himmeldonnerwetter. Will Er eine Ohrfeige haben, Er Lump Er?“
    „Oh, ich kann auch mit derselben Ware dienen. Hier hat Er eine Probe davon. Sie wird wohl gut geraten.“
    Er holte mit der Schnelligkeit des Blitzes aus und gab ihm eine so kräftige Ohrfeige, daß der Getroffene derart mit dem Kopf an die Wand flog, daß ihm für kurze Zeit die Gedanken vergingen.
    „So“, meinte ‚Geierschnabel‘. „Ist es Ihm erwünscht, so bin ich bereit, Ihn ganz nach Probe weiter zu bedienen.“
    Der Leutnant hielt eine Zeit lang die beiden Hände vor das Gesicht. Kaum aber war es ihm gelungen, seine Gedanken zu sammeln, so fuhr er wie ein Wütender empor.
    „Hund“, brüllte er. „Du wagst, mich zu schlagen? Ich massakriere dich.“
    Er warf sich auf ‚Geierschnabel‘, um ihn bei der Gurgel zu fassen, erhielt aber, ehe ihm dies gelang, eine zweite und so gewaltige Ohrfeige, daß er zurückflog und auf den Boden des Coupés stürzte.
    „So, alter Junge!“ lachte ‚Geierschnabel‘. „Die erste für den ‚Lump‘ und die zweite für den ‚Hund‘. Hat Er noch mehrere solche Worte in petto, so bin ich zu einer gleichen Antwort gern bereit.“
    Ravenow raffte sich auf. Seine Wange brannte, und seine Augen waren vor Grimm mit Blut unterlaufen.
    „Kanaille!“ knirschte er, fast sinnlos vor Wut. „Was mache ich mit dir? Ich erwürge dich.“
    Er drang wieder auf ‚Geierschnabel‘ ein, ohne zu bedenken, daß er sich nur einer Hand zu bedienen vermochte; und er soeben den Beweis erhalten hatte, daß er auch mit zwei Händen diesem Mann nicht gewachsen sei.
    Nun erhob sich auch ‚Geierschnabel‘, welcher bisher sitzen geblieben war. Er faßte ihn mit der Linken bei der Brust, schüttelte ihn und antwortete:
    „Kanaille? Gut, du willst es nicht anders, und ich kann dir ja den Willen tun!“
    Er drängte ihn mit unwiderstehlicher Gewalt in die Ecke, ohrfeigte ihn mit der Rechten auf beiden Seiten und ließ ihn dann in den Sitz fallen.
    „So“, sagte er. „In Deutschland scheint man sich in den Coupés erster Klasse ganz angenehm

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