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47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

Titel: 47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Kerl nimmt es übel, daß er arretiert worden ist, und wirft mit den erstaunlichsten Grobheiten um sich und weigert sich, in meiner Gegenwart eine Antwort zu geben. Was denken Sie, was geschieht?“
    „Ihr Herr Bruder sperrte ihn ein?“
    „Keineswegs. Dieser Herr Bruder verabschiedete mich.“
    „Unbegreiflich.“
    „Ich werde es ihm gedenken. Ich habe mich direkt nach dem Bahnhof begeben, um den nächsten Zug zu erwarten.“
    „Aber, ich denke, Sie wollen von Ohrfeigen erzählen? Die dazu geeignete Szene ist ja bereits vorüber.“
    „Nur Geduld. Also der Zug ist zum Abgehen bereit, und man hat bereits zum zweiten Mal geläutet, da wird meine Tür aufgerissen, und der Konduktor schiebt mir – wen herein?“
    „Doch nicht etwa den Musikanten?“
    „Keinen anderen als ihn.“
    „Donnerwetter. Wie ist das möglich?“
    „Ich weiß es auch nicht.“
    „Ist er Ihrem Bruder entkommen?“
    „Höchstwahrscheinlich.“
    „Die Geschichte wird interessant. Weiter.“
    „Die Türe wurde sofort geschlossen, und der Mensch nahm Platz mit der Miene eines Reisenden, der gewöhnt ist, nur in erster Klasse zu fahren.“
    „Hatte er sein Gepäck bei sich?“
    „Freilich. Leinensack, Gewehr und Posaune.“
    „Niederträchtig.“
    „Ja, niederträchtig. Möglich, daß er entflohen ist; noch wahrscheinlicher aber ist, daß mein Bruder ihn aus irgendeinem Grund hat laufen lassen. Er ist nach dem Bahnhof gekommen, hat mich gesehen und, um mich zu ärgern, ein Billet erster Klasse gelöst.“
    „Das ist allerdings verteufelt fatal.“
    „Mehr als das.“
    „Was taten Sie?“
    „Ich fragte ihn natürlich, was er hier wolle. Er antwortete, daß mich das nichts angehe. Ich will den Schaffner rufen, aber der Zug ist bereits in Bewegung. Ich frage, ob er ein Billet erster Klasse habe. Er antwortet mir abermals, daß mich das nichts angehe. Ich nenne ihn darauf einen Flegel oder etwas Ähnliches und erhalte, ohne daß es sich nur im geringsten ahnen ließ, in demselben Augenblick eine Ohrfeige, daß mir Hören und Sehen vergeht.“
    „Hölle und Teufel! Sie haben den Kerl doch sofort zum Fenster hinausgeworfen?“
    „Nicht sogleich“, antwortete Ravenow unter einem höhnischen Lachen. „Es ist das viel leichter gesagt, als getan. Ich hatte, wie bereits erwähnt, von dem unverschämten Hieb geradezu das Denken verloren; doch faßte ich mich bald, sprang auf und wollte ihn fassen. Aber ehe ich dazu kam, empfing ich einen zweiten Schlag.“
    Der Oberst öffnete die Augen so weit wie möglich.
    „Auch Ohrfeige?“ fragte er.
    „Ja.“
    „Unmöglich.“
    „Pah! Ich wollte, Sie wären an meiner Stelle gewesen. Es wäre Ihnen ganz sicher gerade ebenso ergangen. Dieser Kerl besaß geradezu eine gedankenhafte Schnelligkeit. Ich hatte den Entschluß, ihn zu packen, noch gar nicht recht gefaßt, so war er schon mit dem Hieb da. Und eine Körperstärke besaß der Kerl, gegen welche es gar kein Aufkommen gab.“
    „Dazu läßt sich allerdings gar nichts sagen.“
    „Unsinn. Denken Sie sich zwei Männer in einem verschlossenen Coupé allein. Derjenige, auf dessen Seite die geistige Roheit und physische Übermacht ist, wird Sieger sein; das versteht sich ja ganz von selber.“
    „Möglich. Aber hatten Sie gar keine Waffe bei sich?“
    „Leider nicht. Hätte ich meinen Revolver gehabt, so hätte ich ihm einfach eine Kugel durch den Kopf gejagt.“
    „Was taten Sie dann, da dies nicht möglich war?“
    „Ich warf mich abermals auf ihn, aber er faßte mich mit wahren Bärentatzen, drückte mich an die Wand und – na, die Folgen zeigt Ihnen mein Gesicht.“
    „Abermals Ohrfeigen?“
    „Ja.“
    „Schauderhaft, verdammt schauderhaft.“
    „Kann ich dafür, daß man nicht einmal in erster Klasse seines Lebens sicher ist? Sie wissen, daß ich in allen körperlichen Übungen nicht eine klägliche Rolle spiele, aber ein Goliath bin ich denn doch nicht. Übrigens folgten sich seine Bewegungen so schnell, daß ich gar nicht Gelegenheit zu einer einzigen fand.“
    „Ich erstaune. Ich hätte ihn ermordet, oder wäre vor Wut zerborsten.“
    „Es geschah beides nicht. Ehe ich es zu einem abermaligen und erfolgreicheren Angriff bringen konnte, erreichten wir die nächste Station. Ich öffnete das Fenster und rief die Beamten herbei.“
    „Sie bemächtigten sich natürlich des Burschen?“
    „Das versteht sich. Er befindet sich jetzt hinter Schloß und Riegel und sieht einer exemplarischen Bestrafung entgegen.“
    „Leutnant,

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