47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
doch bestens danken!“
„Eigentlich sollten Sie aber zur Strafe doch kosten müssen!“
„Warum?“
„Weil dieses Fleisch bereits zu rohen Beefsteaks vorbereitet gewesen ist. Verstanden?“
„Unmöglich.“
„Es ist eine ganz unverschämte Quantität von Salz, Pfeffer und Zwiebel daran. Und das soll eine Geschwulst mildern?“
„Hm! Das tut der Pfeffer und die Zwiebel freilich nicht. Wie dumm von diesen Leuten. Werfen Sie das Zeug zum Fenster hinaus.“
Gerade als Ravenow diesem Rat Folge leistete, rollte der Zug in Neustadt-Magdeburg ein und hielt, um etwaige Passagiere aufzunehmen. Da erklang in der Nähe des Coupés die Frage:
„Nach Berlin, Schaffner?“
„Ja, weiter vorn.“
„Vorn ist ja die dritte Klasse.“
„Was für welche fahren denn Sie?“
„Erste.“
„Sie? Wirklich erste?“
„Sie haben es gehört.“
„Zeigen Sie Ihr Billet.“
„Hier.“
Man konnte vom Coupé aus nichts sehen, aber der Schaffner betrachtete sich jedenfalls das Billet, dann hörte man ihn sagen:
„Richtig! Steigen Sie schnell hier ein. Es geht augenblicklich fort.“
Er öffnete die Tür und der Passagier stieg ein.
„Guten Morgen“, grüßte er höflich.
Er erhielt keine Antwort, denn Ravenow konnte vor Staunen nicht sprechen und der Oberst antwortete aus Indignation nicht, da der Eingetretene nicht ein Mann zu sein schien, dessen Gruß man zu beantworten brauchte.
Der Fremde setzte sich und sofort brauste der Zug weiter.
„Herr, mein Heiland!“ stieß da Ravenow hervor.
„Was ist es?“ fragte der Oberst.
Der Gefragte deutete wortlos nach dem Fremden, welcher es sich mit seinem Sack, seiner Flinte und Posaune so bequem wie möglich zu machen suchte. Der Oberst betrachtete ihn ein Weilchen und richtete dann den Blick auf Ravenow. Dieser hatte sich inzwischen von seiner Bestürzung erholt.
„Oberst, wissen Sie, wer dieser Mensch ist?“ fragte er hastig.
Der Gefragte antwortete halblaut:
„Ganz sicher jener Mann, dessen fürchterliche Nase mit dem Extrazug herangerasselt kam.“
„Es ist mein Mann, mein Mann!“
„Ihr Mann? Wie denn? Wie meinen Sie das?“
„Der Vagabund, welcher – ach, die Ohrfeigen.“
„Donnerwetter! Ist's wahr?“
„Freilich!“
„Ich denke, er ist gefangen?“
„Ja, er wird aber entflohen sein.“
„Mit einem Extrazug?“
„Wer kann wissen, wie es zugegangen ist. Wann kommen wir zur nächsten Station?“
„In sechs Minuten nach Biederitz.“
„Dort lassen wir ihn festnehmen.“
„Irren Sie sich nicht? Wissen Sie genau, daß er es ist?“
„Wie wäre bei dieser Nase und der Posaune ein Irrtum möglich!“
„Werde gleich sehen.“
Der Oberst warf sich in eine höchst unternehmende Haltung, wendete sich an ‚Geierschnabel‘ und fragte:
„Wer sind Sie?“
‚Geierschnabel‘ antwortete nicht.
„Wer sind Sie?“ wiederholte der Oberst.
Abermals keine Antwort.
„Hören Sie. Ich habe gefragt, wer Sie sind.“
Um das Rollen der Räder zu übertönen, hatte der Oberst die letzte Frage fast brüllend ausgesprochen. Da nickte ‚Geierschnabel‘ ihm äußerst freundlich zu und antwortete:
„Was ich bin? Ein Passagier.“
„Das weiß ich!“ rief der Oberst. „Ihren Namen will ich wissen!“
„Schön. Sie sollen ihn erfahren.“
„Nun?“
„Ja.“
„Was denn, ja?“
„Daß Sie ihn erfahren sollen.“
„So sagen Sie ihn doch auch.“
„Hm. Wann wollen Sie ihn denn wissen?“
„Natürlich gleich.“
„O weh! Ich habe ihn leider gerade nicht gleich bei der Hand.“
„Treiben Sie keinen Blödsinn! Woher kommen Sie?“
„Von Mainz.“
„Ah, Sie waren beim Polizeikommissar von Ravenow?“
„Allerdings.“
„Und unterwegs wurden Sie abermals arretiert?“
„Leider.“
„Wie kommen Sie nach Magdeburg?“
„Mittels Extrazuges.“
„In den Sie sich eingeschmuggelt haben? Man wird dafür sorgen, daß Sie nicht wieder entkommen, Sie Lumpazi vagabundus!“
„Lumpazi? Vagabundus? Hören Sie, gutes Männchen, sprechen Sie in meiner Gegenwart diese beiden Worte nicht wieder aus!“
Der Oberst bog sich in herausfordernder Art zu ihm herüber.
„Weshalb?“ fragte er.
„Die Antwort könnte Ihnen nicht gefallen.“
„Soll dies etwa eine Drohung sein?“
„Nein, sondern eine Warnung.“
„Die brauche ich nicht. Behalten Sie dieselbe für sich.“
Endlich hatte Ravenow einen Entschluß gefaßt. Er sah in dem Oberst einen Verbündeten, auf den er rechnen konnte; sie beiden waren dem Fremden
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